Video-Affäre Ein Junge aus dem Netz bringt die CDU in Not

Berlin · Auf ein kritisches Youtube-Video reagiert die Partei erst ablehnend, dann offensiv. Und erregt Spott.

 In der Video-Kritik: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihr Generalsekretär Paul Ziemiak.

In der Video-Kritik: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihr Generalsekretär Paul Ziemiak.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Kalt erwischt – und dann die Flucht nach vorn. Nach ersten abweisenden Reaktionen hat die CDU den Youtuber Rezo zum Meinungsaustausch eingeladen und Teile seiner Kritik als berechtigt bezeichnet. „Lass uns über Deine Kritik an der CDU sprechen, aber bitte höre auch uns zu, wie wir die Dinge sehen“, schrieb Generalsekretär Paul Ziemiak am Donnerstag auf Twitter. „Nicht als Show, sondern so, wie die meisten Menschen bei uns: aus Sorge über unsere Zukunft und über Wege, unseren Planeten zukunftsfest zu machen, über Ideen für bessere Lösungen. Lass uns treffen, damit mir miteinander sprechen können.“ Ob Rezo annimmt, blieb zunächst unklar.

Drei Tage vor der Europawahl und der für die CDU wichtigen Bürgerschaftswahl in Bremen am Sonntag versucht die Parteispitze offenbar, dem Sturm der Entrüstung in Teilen der Öffentlichkeit und den sozialen Medien über den Umgang mit der Kritik des Youtubers die Spitze zu nehmen. Ziemiak hatte am Mittwoch mit Blick auf Rezos Video noch von Falschbehauptungen gesprochen.

 Youtuber Rezo: Sein Video „Die Zerstörung der CDU“ wurde bereits millionenfach geklickt.

Youtuber Rezo: Sein Video „Die Zerstörung der CDU“ wurde bereits millionenfach geklickt.

Foto: dpa/-

In dem Video Rezos – der wirkliche Name des jungen „Influencers“ ist nicht öffentlich bekannt – heißt es es, die CDU zerstöre „unser Leben und unsere Zukunft“. Es wurde bis Donnerstagmittag fast fünf Millionen Mal geklickt. Rezo wirft der Partei unter anderem vor, beim Klimawandel untätig zu sein, Politik für Reiche zu machen und „krasse Inkompetenz“ beim Thema Urheberrecht und Drogenpolitik. Ziemiak räumte ein: „Wir machen nicht alles richtig. Du hast Kritikpunkte benannt, die berechtigt sind. Wir können beim Klimaschutz noch mehr tun, mit besseren Technologien und guten Ideen.“

Ein ursprünglich als Reaktion auf die kritischen Äußerungen des Youtubers geplantes Internet-Video des jungen Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor wollte die CDU am Ende dann doch nicht veröffentlichen. Rezo legte unterdessen nochmal nach: Der junge Mann warf der CDU in der „Frankfurter Allgemeinen Woche“ ein Verhalten vor, das an US-Präsident Donald Trump erinnere. „Selbst wenn ein Unterdreißigjähriger sich auf Wissenschaftler und Experten beruft, antwortet die CDU mit Lügen und geht inhaltlich gar nicht auf Argumente ein“, sagte er. Dies sehe man auch bei Trump, der mit dieser Masche ins Amt gekommen sei. „Er hat so viel Scheiße gelabert. Vielleicht haben da auch andere Politiker gemerkt: Ey, wir können einfach lügen und Bullshit reden, wir kommen damit durch.“

Wohl auch als Reaktion auf den Vorwurf, zu langsam angemessen reagiert zu haben, veröffentlichte die CDU am Donnerstag in einem Antwortschreiben an Rezo auch eine ausführliche Stellungnahme zu ihrem internen Entscheidungsprozess. Rezos Video spitze Kritikpunkte zu und verkürze, um zu provozieren. Man habe in der CDU gemeinsam überlegt, wie „wir mit Deiner Kritik und der Form, in der Du sie packst, umgehen“, schrieb die Partei. Sehr hohes Tempo und extreme Zuspitzungen würden fast alle Debatten dieser Tage bestimmen. „Wir hatten uns für eine Antwort auf derselben Ebene entschieden – für ein Video.“ Gleichzeitig habe man aber immer wieder abgewogen, ob eine Antwort auf derselben Ebene die richtige und angemessene Antwort sei und „ob es der notwendigen politischen Auseinandersetzung hilft oder Politik zum Spektakel macht“. Gerade von der CDU werde „in aufgewühlten Zeiten erwartet, dass sie überlegt, reflektiert und mit kühlem Kopf antwortet“, schrieb die Partei. „Verkürzen, verzerren, verdrehen – das ist Populismus.“ Davon distanziere man sich und nehme sich mehr Zeit. Alles Weitere soll ein persönliches Gespräch klären.

Für Spott im Netz sorgte derweil CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Saarländerin hatte Rezos Video mit den Worten kommentiert: „Ich habe mich gefragt, warum wir nicht eigentlich auch noch verantwortlich sind für die sieben Plagen, die es damals in Ägypten gab.“ Allerdings ist im Alten Testament von zehn biblischen Plagen die Rede. Spott erregte auch AfD-Mann Paul Hampel, der Rezos Kritik lobte als „ganz auf AfD-Linie“. Wobei Rezo in seinem Video auch die AfD frontal attackier, weil sie in großen Teilen den Klimawandel leugnet.

„Die CDU tut sich mit digitaler Kommunikation immer noch sehr schwer“, bilanzierte Politikwissenschaftler Stefan Heumann. Im Umgang mit jungen Wählern falle die hohe Geschwindigkeit der Netzkommunikation und eine direkte Ansprache vielen Politikern noch schwer. Auch andere Experten sehen in dem Video und den Auswirkungen ein Risiko für die Partei. Es könne sich sogar auf das Wahlergebnis am Sonntag auswirken, sagte Heumann.

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