Gericht sucht Schuldige des „Schwarzen Donnerstags“

Stuttgart · Der Tag gilt als „Schwarzer Donnerstag“. Wegen des harten Einsatzes gegen Stuttgart-21-Gegner stehen seit gestern zwei Polizeibeamte vor Gericht.

Die Bilder aus Stuttgart schockten die Republik. Dietrich Wagner, mittlerweile Symbolfigur des Widerstands gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21, erlitt blutige Augenverletzungen - der harte Strahl eines Wasserwerfers traf den Rentner. Knapp vier Jahre nach dem harten Polizeieinsatz steht er am Dienstag im Stuttgarter Landesgericht, wo sich zwei Polizisten wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt verantworten müssen. Fast erblindet tritt Wagner mit weiteren Verletzten als Nebenkläger in dem Mammutprozess auf. Das Verfahren ist zunächst bis Ende des Jahres terminiert. Der Mann mit Blindenstock sagt gefasst, das Leben ohne Augenlicht sei Routine geworden.

Die Vorsitzende Richterin bezweifelt, dass die zahlreichen Prozess-Besucher aus der Anti-Stuttgart-21-Szene die Fassung genauso bewahren - und bittet sie eindringlich, ruhig zu bleiben.

Mit dem Einsatz sollte der Schlossgarten geräumt werden. Ziel war, den Weg für das Fällen von Bäumen freizumachen. Für Wagner kommt das Vorgehen der Polizei einem "Bürgerkrieg" gleich. Drastisch schildert auch Staatsanwalt Stefan Biehl den Einsatz. Die Polizisten sollen dafür verantwortlich sein, dass neun Menschen schwere Verletzungen erlitten: Pupillenlähmung, Augapfelprellung, Netzhautabriss. Laut Biehl wäre dies vermeidbar gewesen, wenn die zwei Einsatzabschnittsleiter ihre Sorgfaltspflicht wahrgenommen hätten. Die eigentliche Verantwortung vermuten Wagner und sein Anwalt Frank Ulrich Mann aber in höheren politischen Ebenen, vor allem bei Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU ). Mann will Mappus vor Gericht zitieren.

Dagegen wollen die Verteidiger der beiden Beamten den Ball flach halten. "Die Hauptverhandlung darf nicht als Tribunal für eine umfangreiche Aufklärung des Schwarzen Donnerstags missbraucht werden", betont Olaf Hohmann. Die Strategie der Verteidigung ist klar: Die Beamten werden als Rädchen im Getriebe dargestellt. Überdies hätten die beiden gar nichts von dem ausufernden Einsatz mit Verletzten mitbekommen - unter anderem wegen eines funktionsunfähigen Funkkanals. Das Argument löst im Gericht Unverständnis und Sarkasmus aus. Die beiden Polizisten seien doch vor Ort gewesen. "Die hätten das sehen müssen", sagt Mann. Auch Wagner findet die Darstellung wenig glaubhaft: "Da war man ja im Mittelalter mit Flaggen besser."

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