Rot und Rot reden wieder miteinander
Berlin · Mit einem Treffen unter sechs Augen haben die Vorsitzenden von SPD und Linkspartei der Debatte um rot-rote Koalitionen neuen Schwung verliehen.
Lange Zeit hatten sich SPD und Linke nichts zu sagen. Doch als die beiden Linkspartei-Chefs Katja Kipping und Bernd Riexinger den SPD-Vorsitzenden vor einigen Wochen schriftlich um ein Treffen baten, nahm Sigmar Gabriel an. Wie jetzt bekannt wurde, kam man am 2. Juni um die Mittagszeit in der Berliner Landesvertretung des rot-rot-regierten Brandenburgs zusammen, um sich gut eine Stunde lang über Differenzen und Gemeinsamkeiten auszutauschen. Es war der erste Kontakt der drei Vorsitzenden überhaupt. Bemerkenswert auch, dass er im sonst so geschwätzigen Berliner Politik-Betrieb fast einen Monat lang unter der Decke blieb.
Dabei gibt es eigentlich keinen Grund für derlei Geheimniskrämerei. Schließlich hatte sich ein SPD-Parteitag im Herbst 2013 darauf festgelegt, auch eine rot-rot-grüne Machtoption nicht mehr auszuschließen. Parteivize Ralf Stegner, ein vehementer Befürworter rot-roter Lockerungsübungen, suchte den Dreier-Gipfel deshalb gestern tiefer zu hängen. "Es ist nichts Spektakuläres, sich mit Vertretern aller demokratischen Oppositionsparteien zu treffen. Neu ist vielleicht, dass sich das jetzt normalisiert", sagte er unserer Zeitung. Bis vor kurzem war das in der Tat noch ganz anders. Schon im März sollte Linke-Fraktionschef Gregor Gysi vor SPD-Bundestagsabgeordneten über das Reizthema "Zukunft von Rot-Rot-Grün" referieren. Doch wegen der Moskau-freundlichen Haltung seiner Partei im Krim-Konflikt war Gysi damals kurzerhand ausgeladen worden.
Angeblich ging es bei dem Dreier-Termin unter anderem um ein rot-rotes Bündnis in Thüringen. Dort wird am 14. September gewählt. Und der Oppositionsführer der Landes-Linken, Bodo Ramelow , sieht sich schon als erster Ministerpräsident seiner Partei. Ob das Willy-Brandt-Haus nach entsprechendem Wahlausgang wirklich seinen Segen zu dieser Premiere gibt, bleibt jedoch unklar.
Noch vertrackter ist es auf der Bundesebene. Auch Stegner räumt "große Unterschiede" ein. Als Beispiel nennt er die Europa- und Außenpolitik. Bei den Linken wiederum wollen die radikalen Kräfte schon aus Prinzip nichts von einer Regierungsbeteiligung wissen. Ihnen ist Fundamentalopposition lieber. "Das Gespräch als solches kann keine Perspektiven eröffnen", meinte ihre Wortführerin Sahra Wagenknecht mit Blick auf die Unterredung der rot-roten Parteichefs. "Entscheidend ist, ob Gabriel bereit ist, eine andere Politik zu machen. Nach allem, was man über das Treffen lesen konnte, sieht es eher nicht danach aus", so Wagenknecht zur SZ. Und dann sind da noch die Grünen, die sich nicht zuletzt wegen des Ukraine-Konflikts mit den Linken regelrecht im Krieg befinden. Parteichefin Simone Peter versicherte gestern zwar, keine Machtoption für die nächste Bundestagswahl ausschließen zu wollen. Doch "das betrifft die Linke genauso wie die Union".
Fragt sich nur, was sich am Ende durchsetzt. "Dass wir die Lebenspartnerschaft mit der Union 2017 beenden wollen, weiß jeder", meint SPD-Vize Stegner. Deshalb brauche man auch "stabile Gesprächskontakte" zur Opposition.