Flammender Zorn in Baltimore

Baltimore · Zwei Wochen brodelte es in Baltimore, nachdem der Afroamerikaner Freddie Gray ums Leben gekommen war. Stunden nach seiner Beerdigung schlugen die Proteste in Gewalt um. Der Gouverneur rief die Nationalgarde.

Acht Jahre hat es gedauert, das Gebäude hochzuziehen. Im Herbst sollte es eingeweiht werden: 60 Sozialwohnungen für Ältere, dazu diverse Beratungsstellen. Wenige Wochen noch, dann wäre das Dach draufgesetzt worden, erzählt Donté Hickman, Pfarrer der Southern Baptist Church in Baltimore . Nach einer Nacht heftiger Krawalle ist das Mary Harvin Center nur noch ein Haufen verkohlter Trümmer. "Das ist Chaos und Verwirrung. Aber es wird gut ausgehen, wir werden diese Gemeinschaft wieder zusammenstricken", sagt Hickman.

Die Wut der Anwohner über den Tod des Afroamerikaners Freddie Gray war am Montag nur Stunden nach dessen Beerdigung in Gewalt umgeschlagen. Bis zum frühen Dienstagmorgen stand Baltimore im Zeichen sinnloser Gewalt . Polizeiautos wurden abgefackelt, Läden geplündert, bevor sie in Flammen aufgingen. Steine und Flaschen flogen, Schaufensterscheiben gingen zu Bruch. Am Morgen danach meldete die Polizei von Baltimore 15 verletzte Ordnungshüter, über die Zahl der verwundeten Zivilisten gab es zunächst nicht einmal Schätzungen. Larry Hogan, der republikanische Gouverneur von Maryland, rief den Notstand aus und mobilisierte 5000 Militärs der Nationalgarde. Es ist binnen acht Monaten das zweite Mal, dass Nationalgardisten bei Unruhen in einer US-Stadt zum Einsatz kommen, das zweite Mal nach Ferguson, wo im August der schwarze Teenager Michael Brown von einem Polizisten erschossen wurde. Eine ab gestern Abend und für den Rest der Woche geltende nächtliche Ausgangssperre soll zudem helfen, die Lage nach den Ausschreitungen zu beruhigen.

Im Oval Office telefonierte Präsident Barack Obama mit Stephanie Rawlings-Blake, der afroamerikanischen Bürgermeisterin der Hafenmetropole. Die demokratische Politikerin hatte zunächst darauf gesetzt, den Spannungen durch ein eher zurückhaltendes Auftreten der Uniformierten die Spitze zu nehmen. Nach den schockierenden Bildern der Nacht ließ sie ihrem Frust freien Lauf. "Es ist doch idiotisch zu glauben, dass man das Leben für irgendwen besser macht, indem man seine eigene Stadt zerstört. Ich verstehe nicht, wie Jeans zu stehlen Freddie Gray Gerechtigkeit bringen soll."

Freddie Gray, ein 25-Jähriger aus der heruntergekommenen Westside von Baltimore , war am 19. April in einem Krankenhaus gestorben, nachdem ihn Polizisten sieben Tage zuvor bei seiner Festnahme offenbar schwer verletzt hatten. Ein Video, aufgenommen von der Handykamera eines Passanten, zeigt Gray vor Schmerzen schreiend, wie gelähmt zwischen den Beamten. Statt Hilfe zu leisten, schleifen sie ihn zu einem Gefängnistransporter. In der Klinik erwacht er nicht mehr aus seinem Koma, als Todesursache konstatieren die Ärzte eine schwere Rückenmarkverletzung.

Das rund 620 000 Einwohner zählende Baltimore ist eine der gefährlichsten Städte der Vereinigten Staaten. Seit Jahren bemüht sich die Stadt, Probleme wie Armut, Drogenhandel und Gewalt in den Griff zu bekommen. 2013 hatte Baltimore nach einer FBI-Statistik die fünft höchste Mordrate aller US-Städte mit mehr als 100 000 Einwohnern. Seit 2006 ist die Zahl der Gewaltverbrechen aber rückläufig.

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