Der Letzte macht das Licht aus

Berlin · Die Deutschen werden immer älter, aber die Bevölkerungszahl nimmt ab. Deshalb stellt sich die Frage, wer einmal die Renten der „Baby-Boomer“ bezahlen soll. Ohne Zuwanderung wird es kaum gehen. Die aber müsste deutlich steigen.

Die animierte Grafik auf www.destatits.de ist ein schönes Spielzeug - und versachlicht vielleicht so manche Diskussion. Von Einwanderungsgesetz bis Rentendebatte. Das Statistische Bundesamt hat aufgrund der letzten Zahlen neue Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung in Deutschland erstellt. Demnach wird die Einwohnerzahl von heute 80,8 Millionen zwar noch in den nächsten fünf bis sieben Jahren leicht steigen, dann aber bis 2060 drastisch auf 67,6 bis 73,1 Millionen sinken. Und es wird eine starke Überalterung einsetzen. Mit dramatischen Folgen.

In der Grafik lassen sich Grundannahmen verändern, so wie es auch die Statistiker getan haben. Zum Beispiel kann man das Renteneintrittsalter spaßeshalber hochsetzen. Ergebnis: Das heutige Verhältnis von 34 Rentnern zu 100 Menschen im Erwerbsalter lässt sich mittelfristig nur halten, wenn der Renteneintritt auf 74 Jahre angehoben wird. Politisch ist das utopisch. De facto sind es 67 Jahre, und selbst das ist umstritten. Die Folge: 2060 müssen 100 Arbeitnehmer für 57 Rentner aufkommen. Und dazu noch für fast 40 Kinder und Jugendliche. Auf einen Arbeitnehmer kommt künftig also ein zu Versorgender.

Demografie ist eine exakte Wissenschaft. Menschen, die nicht geboren wurden, können künftig keine Kinder kriegen. Geburten- und Sterberaten liegen aktuell fest und lassen sich ziemlich genau vorhersagen, ebenso die Lebenserwartung. Und so sieht man an der Grafik , wie die Babyboomer der 60er und 70er Jahre älter werden und sich danach der Pillenknick langsam durchsetzt. 2060 gibt es jährlich ein Geburtendefizit in Deutschland von rund 500 000. Selbst dann, wenn die derzeitige Geburtenrate von 1,4 Kindern pro Frau auf 1,6 steigen sollte, was absolut nicht absehbar ist. Das macht auch die Zuwanderung nicht wett. Nur dieser Faktor ist variabel. Dass sie in den letzten Jahren so außerordentlich hoch war, hat die aktuellen Prognosen gegenüber der letzten von 2009 nur etwas gemildert. Sonst wäre Deutschland in 45 Jahren noch um drei Millionen Menschen ärmer.

Um die Bevölkerung stabil zu halten, müssten über Jahrzehnte hinweg jährlich 500 000 Menschen mehr ein- als auswandern - also noch über die rekordträchtigen 429 000 im Ausnahmejahr 2013 hinaus. Doch vom Balkan und aus Osteuropa, derzeit Hauptherkunftsgebiete, werden schon bald weniger kommen, weil auch dort die Bevölkerung altert. Die Statistiker gingen bei ihre optimistischsten Prognose von durchschnittlich 230 000 Zuwandern jährlich aus, insgesamt 10,8 Millionen Migranten bis 2060. Das ist höher als der langfristige Wanderungsgewinn, der seit den 50er Jahren bei 186 000 pro Jahr lag - in einer Zeit, als Gastarbeiter sogar aktiv angeworben wurden. Die politischen und gesellschaftlichen Folgen der Entwicklung sind gravierend. Das schlechte Verhältnis zwischen Alten und Erwerbsfähigen stellt die Rentenversicherung vor riesige Herausforderungen. Das Gesundheitssystem und die Pflegeversicherung müssen damit fertig werden, dass 2060 rund zehn Millionen Menschen über 80 Jahre alt sein werden. Und am Arbeitsmarkt fehlen dann elf bis 15 Millionen Kräfte.

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