Junge Staatsanwältin setzt in Baltimore ein Zeichen

Baltimore · Marilyn Mosby will ein Zeichen setzen. Manchen hat überrascht, wie schnell die junge, Bezirksstaatsanwältin Anklage erhob, mancher staunt, dass Polizisten in Baltimore demnächst überhaupt auf der Anklagebank sitzen, um sich für den Tod Freddie Grays zu verantworten.

In Ferguson im Staate Tennessee, wo der schwarze Teenager Michael Brown im vergangenen Jahr von einem weißen Beamten erschossen wurde, hatte der zuständige Staatsanwalt über drei Monate gebraucht, um die Ermittlungen abzuschließen und den Spruch einer Geschworenenjury zu verkünden: kein Verfahren gegen den Ordnungshüter. Mosby reichten nun 18 Tage fürs Zusammentragen der Fakten. Allein das Tempo ist ein Signal - auch an die Demonstranten, die über Tage das Bild Baltimores geprägt hatten. Am Samstag feierten Hunderte Menschen auf einer "Siegeskundgebung" die Entwicklung in der Großstadt nahe Washington.

Freddie Gray, glaubt Mosby, brach sich das Genick, als er in einem Polizeitransporter gegen etwas Hartes prallte, an Händen und Füßen gefesselt, hilflos auf dem Boden liegend. Sechs Beamte, drei mit heller, drei mit dunkler Haut, kommen dafür vor einen Richter. Die Vorwürfe lauten auf Totschlag, ungerechtfertigte Festnahme und unterlassene Hilfeleistung.

Es gibt Experten, die Mosbys Erfolgsaussichten eher skeptisch beurteilen, zeige doch die Erfahrung, wie schwer es sei, in solchen Fällen konkrete Nachweise zu erbringen. Die Juristin lässt sich nicht beirren. Eines habe sie Grays Angehörigen versichert, betont sie: "Niemand steht über dem Recht, und ich werde in ihrem Namen Gerechtigkeit anstreben."

Mit 35 Jahren ist Mosby die jüngste Bezirksstaatsanwältin einer amerikanischen Großstadt. Als sie zum Wahlduell gegen den Amtsinhaber antrat, warb sie mit dem Argument, dass sie beide Seiten der Medaille kenne. Einerseits stammt sie selber aus einer Polizistenfamilie; ihre Eltern trugen Uniform, ein Großvater initiierte den Verband afroamerikanischer Polizeibeamter in Massachusetts. Andererseits weiß sie, wovon sie spricht, wenn sie die Misere eines Milieus beklagt, das von Drogenhändlern kontrolliert wird und in dem kaum einer sich traut, gegen die allmächtigen Bosse der Gangs auszusagen. Mosby war 14, als ein Cousin, von einer Bande verwechselt mit einem Dealer, vor ihrer Wohnungstür am Rande von Boston erschossen wurde. Ihre Wahlkampagne begann sie vor Monaten mit einem eindrücklichen Satz. "Ich habe gesehen, wie das Blut meiner Familie, dasselbe Blut, das durch meine Adern fließt, auf unserer Türschwelle vergossen wurde."

An der Tuskegee University, einer von dem legendären schwarzen Pädagogen Booker T. Washington gegründeten Hochschule in Alabama, studierte sie Politikwissenschaften. Es folgte ein Jurastudium, und 2005 fing sie im Büro des Bezirksstaatsanwalts in Baltimore an. Nach sechs Jahren wechselte sie als Ermittlerin zu einem Versicherungskonzern, bevor sie sich um den Posten des District Attorney bewarb. Ihr Ehemann Nick vertritt das verarmte, bis zu den Unruhen de facto vergessene West-Baltimore im Rathaus der Stadt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort