Nach Massenprotesten Hongkong beerdigt umstrittenes Auslieferungsgesetz an China

Hongkong · Regierungschefin Lam will die Pläne allerdings nicht formell zurückziehen. Das aber fordern ihre Kritiker. Drohen nun neue Proteste?

 Die Regierungschefin von Hongkong, Carrie Lam, steht mächtig in der Kritik.

Die Regierungschefin von Hongkong, Carrie Lam, steht mächtig in der Kritik.

Foto: dpa/Vincent Yu

Nach den Massenprotesten in Hongkong hat Regierungschefin Carrie Lam vergeblich versucht, die Lage zu beruhigen. Auf einer Pressekonferenz beteuerte Lam am Dienstag, dass der umstrittene Gesetzentwurf zur Auslieferung beschuldigter Personen an China nicht mehr vorgelegt werde. „Das Gesetz ist gestorben“, sagte Lam. Allerdings ging sie nicht auf die Forderung der Demonstranten ein, den Gesetzentwurf formell zurückzuziehen.

„Es gibt weiter anhaltende Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Regierung und Sorgen, ob die Regierung das Verfahren im Legislativrat neu beginnen wird“, räumte die Regierungschefin ein. „Deswegen lassen Sie mich hier wiederholen: Es gibt keinen solchen Plan.“ Von einem offiziellen Rückzug sprach Lam aber wieder nicht.

Nach Protesten Hunderttausender Hongkonger gegen die geplanten Auslieferungsregeln hatte Lam das Gesetzgebungsverfahren im Juni gestoppt. Sie legte den Entwurf mit dem Hinweis auf Eis, dass er nicht mehr vorgelegt und damit im Juli nächsten Jahres einfach auslaufen werde. Trotzdem dauern die Proteste an, wobei die Demonstranten fordern, das Gesetz auch formell zurückzuziehen.

So wollen die Führer der Demokratiebewegung ihre Aktionen fortsetzen. „Keine unserer öffentlichen Forderungen wurde erfüllt“, schrieb der Ex-Studentenführer Joshua Wong auf Twitter. Der richtige Weg, das Gesetz zu streichen, sei ein formeller Rückzug, da der Entwurf bis nächsten Juli im legislativen Programm erhalten bleibe. Andere Aktivisten forderten Lam auf, sich an rechtsstaatliche Verfahren zu halten. Den Begriff „gestorben“ gebe es in keinem der Gesetze oder legislativen Vorgänge Hongkongs, sagte Bonnie Leung von der Menschenrechtsfront (CHRF), die viele Proteste organisiert hatte. Zuletzt hatten am Sonntag wieder Zehntausende gegen das Gesetz und die Regierung demonstriert.

Das Gesetz hätte es Hongkongs Behörden ermöglicht, von der chinesischen Justiz verdächtigte Personen an die Volksrepublik auszuliefern. Kritiker weisen jedoch darauf hin, dass Chinas Justiz nicht unabhängig sei und als Werkzeug der politischen Verfolgung diene. Auch drohe Folter.

Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe 1997 an China nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ als eigenes Territorium autonom regiert. Anders als die Menschen in der Volksrepublik genießen die Hongkonger das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie Presse- und Versammlungsfreiheit.

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