Haftsstrafe für "U-Bahn-Schläger"

Berlin. Kurz nach der Urteilsverkündung am gestrigen Montag wurde auf den Fluren des Berliner Landgerichts der kürzeste Zeitraum diskutiert, den Torben P

Berlin. Kurz nach der Urteilsverkündung am gestrigen Montag wurde auf den Fluren des Berliner Landgerichts der kürzeste Zeitraum diskutiert, den Torben P. bei guter Führung tatsächlich im Gefängnis verbringen muss: Sieben Monate - das ist ungefähr ein Drittel der Jugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten, zu der der 18-Jährige wegen seiner brutalen Attacke auf einen 29-Jährigen in der Berliner U-Bahnstation Friedrichstraße verurteilt wurde. Nach Verbüßung eines Drittels kann eine Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden.Nach einer durchzechten Nacht hatte der Gymnasiast am Karsamstagmorgen den damals 29-jährigen Markus P. auf dem U-Bahnhof Friedrichstraße angegriffen. Er trat den Mann, als dieser bereits am Boden lag, immer wieder gegen den Kopf. Sein ebenfalls 18-jähriger Freund Nico A. stand tatenlos daneben. Eine Videokamera der Verkehrsbetriebe zeichnete das Geschehen auf und ließ keinen Zweifel am Tathergang.

"Das ideale Beweismittel, das sich jeder Strafrichter wünscht", sagte der Vorsitzende Richter Uwe Nötzel bei der Urteilsbegründung und schränkte die Aussagekraft der Bilder sofort ein: "Es gibt auch eine innere Welt", sagte er, und diese zu klären, sah er als seine Aufgabe. Teile der Öffentlichkeit hatten sich mit den Videobildern begnügt. Manch einer forderte eine harte Bestrafung von Torben P., der sich am Ostersonntag der Polizei stellte und vor Gericht geständig war.

Der Angeklagte, ein fast zwei Meter großer, dünner, junger Mann, trug ansonsten aber wenig dazu bei zu verstehen, warum er so ausgerastet war. Während der Urteilsverkündung blieb sein Gesicht unbewegt. Während der fast zweistündigen Sitzung puhlte er manchmal an den Nägeln - eine Geste, die fast gelangweilt wirkte.

Zum Prozessauftakt hatte er zwar eingeräumt, dass die Tat "eine Schweinerei" gewesen sei. Er hatte sich entschuldigt und "Entsetzen" vor seinem eigenen Handeln geäußert. An den Kern der Tat, die Tritte gegen den Kopf, könne er sich jedoch nicht erinnern, sagte er. An dieser Aussage meldete der Vorsitzende Richter Nötzel am Montag Zweifel an.

Er sah in dem Handeln des jungen Mannes den Wunsch zu töten, vor allem, weil er noch einmal zutrat, als das Opfer wehrlos am Boden lag. Doch er sah auch Punkte, die für P. sprachen. Wegen massiven Alkoholkonsums sei er vermindert schuldfähig gewesen. Er war polizeilich "unbelastet", "kein Schläger".

Die Berichterstattung durch manche Medien nannte Nötzel "unsachlich" und "unrichtig". Die Familie des Angeklagten sei belagert worden, habe wegen Morddrohungen umziehen müssen. Als P. dem Opfer einen Ausgleich anbot, sei ihm unterstellt worden, es nicht ehrlich zu meinen. "Hätte er es nicht getan, wäre es auch falsch gewesen", sagte Nötzel. Das Bemühen des Vorsitzenden Richters, zu einem gerechten Urteil zu kommen, war spürbar. Für eine Bewährungsstrafe, wie sie der Verteidiger gefordert hatte, sei die Tat "zu heftig" gewesen, sagte Nötzel. Der Richter stellte selbst die Frage, ob die nun verhängte Haftstrafe geeignet sei, P.s "Existenz zu ruinieren". Er wies dies zurück. Das Abitur sei weiter möglich, vielleicht sogar in einem offenen Vollzug von Anfang an.

Die Verteidiger wollen in Revision gehen. Die Staatsanwaltschaft ließ offen, ob auch sie das Urteil anfechten möchte.

Nico A. muss einen Erste-Hilfe-Kurs besuchen und 250 Euro an einen Opferfonds spenden.

Auf einen Blick

Nachder tödlichen Hatz auf einen 23-Jährigen in Berlin am vergangenen Wochenende suchen die Ermittler nach einem dritten Tatverdächtigen. Die anderen beiden Angreifer hatten sich gestellt und wurden am Sonntag wegen Körperverletzung mit Todesfolge verhaftet. Sie hätten sich "umfassend zum Geschehen eingelassen", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Beide Männer hätten angegeben, dass sie stark während der Tat betrunken gewesen seien. ddp

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