Ein Macho gibt sich reumütig

Paris. Vier Monate nach seiner spektakulären Verhaftung am New Yorker Flughafen hat der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, sein Schweigen gebrochen

Paris. Vier Monate nach seiner spektakulären Verhaftung am New Yorker Flughafen hat der frühere Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, sein Schweigen gebrochen. Das Interview am Sonntagabend zur besten Sendezeit bescherte TF1, Frankreichs größtem Fernsehsender, einen neuen Zuschauerrekord von 13,4 Millionen und beherrschte gestern die öffentliche Diskussion im Land. Denn der 62-Jährige äußerte sich auch zu dem sexuellen Kontakt mit einem Zimmermädchen im New Yorker Sofitel-Hotel, der zu seiner Festnahme geführt hatte.Diese "unangemessene Beziehung" sei ein "moralischer Fehler" gewesen, räumte der angespannt wirkende Strauss-Kahn ein. "Ich bedauere es unendlich." Denn er habe damit gleich in mehrfacher Hinsicht versagt. "Es war ein Versagen, ein Versagen gegenüber meiner Frau, meinen Kindern und meinen Freunden, aber auch ein Versagen gegenüber dem französischen Volk, das seine Hoffnungen auf einen Wandel auf mich gesetzt hatte", sagte der sozialistische Politiker. Er habe seinem Umfeld sehr viel Schmerzen zugefügt.

Eine Antwort auf die Frage, was sich tatsächlich zwischen ihm und der aus Guinea stammenden Hotelangestellten Nafissatou Diallo abspielte, blieb Strauss-Kahn den Zuschauern schuldig. Er wolle nicht ausschließen, dass ihm eine Falle gestellt wurde, sagte er und verwies ansonsten nur auf den Untersuchungsbericht des US-Staatsanwalts, den er mit ins Studio gebracht hatte. Daraus gehe klar hervor, dass es bei dem Sex keine Gewaltanwendung gegeben habe. Es sei aber auch kein bezahlter Akt gewesen, so Strauss-Kahn. Deshalb sei er nicht bereit, mit Diallo über eine Entschädigung zu verhandeln. Das Zimmermädchen wirft dem Franzosen versuchte Vergewaltigung vor. Die US-Justiz hatte das Strafverfahren jedoch Ende August eingestellt, da sie an Diallos Glaubwürdigkeit zweifelt.

Die Frau reichte allerdings auch eine Zivilklage auf Schadenersatz gegen Strauss-Kahn ein. In seinem Heimatland ist er zudem mit einer Anzeige der Schriftstellerin Tristane Banon konfrontiert, die ihm versuchte Vergewaltigung während eines Interviews im Jahr 2003 vorwirft. Strauss-Kahn wies dies als erfunden zurück. Es habe "keinen Akt der Aggression, keine Gewalt" gegeben, sagte er. Mehr wolle er dazu nicht sagen, weil die Ermittlungen noch liefen.

In dem TV-Interview gab der frühere Wirtschaftsminister erstmals zu, vor seiner Verhaftung eine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl im kommenden Frühjahr geplant zu haben. Eine schnelle Rückkehr in die Politik schloss Strauss-Kahn jetzt jedoch aus. Er wolle sich "ausruhen" und "Zeit zum Nachdenken" haben, erklärte er. Aus den Vorwahlen seiner Partei, die im Oktober ihren Präsidentschaftskandidaten kürt, wolle er sich heraushalten.

Die Reaktionen auf den Auftritt fielen überwiegend negativ aus. Während Sozialisten-Sprecher Benoît Hamon das Interview noch als "nützlich und unverzichtbar" bezeichnete, kam von anderen Seiten scharfe Kritik. Der Generalsekretär der Regierungspartei UMP, Jean-François Copé, nannte die Sendung "lächerlich und traurig". Ex-Verteidigungsminister Hervé Morin sprach von einer Inszenierung. Frauenrechtlerinnen empörten sich, ein mutmaßliches Opfer würde niemals eine solche Tribüne bekommen. Die Anwältin Gisèle Halimi kritisierte zudem, dass die Interviewerin eine enge Freundin von Strauss-Kahns Ehefrau Anne Sinclair sei. Dies sei überdeutlich geworden. "Ich bedauere es unendlich."

Dominique Strauss-Kahn

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