Der „Schütze von Paris“ ist gefasst

Auch nach seiner Ergreifung gibt der mysteriöse Schütze von Paris der Polizei Rätsel auf: Gefunden wurde der 48-Jährige halb bewusstlos in einer Tiefgarage. Abdelhakim Dekhar war in den 1990er Jahren in einen blutigen Kriminalfall verwickelt.

Paris. Er bedrohte Journalisten mit einer Waffe, verletzte einen jungen Fotografen lebensgefährlich, schoss im Pariser Banken- und Geschäftsviertel La Défense um sich, zwang einen Autofahrer, ihn zu den Champs-Élysées zu fahren und verschwand, die ganze Stadt in Angst und Aufruhr zurücklassend: Tagelang hatte die Polizei fieberhaft nach dem mysteriösen "Schützen von Paris" gesucht. Am Mittwochabend entdeckte sie ihn in einem Auto, das in einer Tiefgarage in einem Vorort nordwestlich der französischen Hauptstadt geparkt war. Der 48-jährige Abdelhakim Dekhar befand sich in einem "halb bewusstlosen" Zustand, nachdem er offenbar eine Überdosis Medikamente eingenommen hatte. "Allem Anschein nach hat er versucht, sich das Leben zu nehmen", sagte Innenminister Manuel Valls gestern. Nun sei es an der Justiz, das Tatmotiv herauszufinden. Dekhar wurde zunächst in ein Krankenhaus gebracht, sollte aber ab gestern verhört werden.

Nachdem er vor einer Woche Journalisten des Info-Fernsehsenders BFMTV bedroht hatte, hatte er am vergangenen Montag in der Redaktion der linksliberalen Zeitung "Libération" einen 27-jährigen Foto-Assistenten angeschossen, der inzwischen aus dem künstlichen Koma erwacht und auf dem Weg der Besserung ist. Kurz darauf gab Dekhar im westlichen Stadtteil La Défense Schüsse ab, ohne jemanden zu verletzen. Sicherheitshalber wurden die großen Medienhäuser unter Schutz gestellt, die Videoüberwachung ausgeweitet, Phantombilder des Täters veröffentlicht. Und diese brachten den Durchbruch: Ein Mann, der Dekhar beherbergt hatte, erkannte ihn und ging zur Polizei. Dekhar habe ihm am Montagabend gestanden, "eine Dummheit" begangen zu haben, sagte der Zeuge aus.

DNA-Analysen haben den Tatverdacht inzwischen bestätigt. Die Waffe und die Kleidung, die er auf den Video-Aufnahmen trug, wurden allerdings noch nicht gefunden. Laut Staatsanwalt François Molins hat Dekhar Briefe geschrieben, in denen die Rede von einem "faschistischen Komplott" ist, den Konflikten in Libyen und Syrien und von den Medien, die dafür zahlen sollten, dass sie "die Lüge teelöffelweise einflößen". Es soll sich um "konfuse" Reden handeln, heißt es. Molins zufolge wird Dekhar die Anklage wegen Mordversuch, Entführung und Freiheitsberaubung gemacht.

Bei dem Festgenommenen handelt es sich um einen alten Bekannten von Polizei und Justiz: Als Mitglied der militanten linksextremen Szene war er im Herbst 1994 bereits in eine blutige Tat verwickelt, die das ganze Land aufwühlte: Das junge Pärchen Audry Maupin und Florence Rey hatten die Wachmannschaft eines Parkplatzes überfallen und sich eine Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert, bei der drei Polizisten, ein Taxifahrer und Audry Maupin ums Leben kamen.

Die zum Tatzeitpunkt 19-jährige Studentin Florence Rey kam 2009 nach 15 Jahren Haft frei. Weil Dekhar damals ein Gewehr besorgt haben soll, wurde er zu einer vierjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Vor Gericht hatte er sich als Mitglied des algerischen Geheimdienstes ausgegeben, der im Auftrag der algerischen Regierung Islamisten ausfindig machen sollte. Er stritt jede Beteiligung an der Tat ab und nannte sich das Opfer einer "Manipulation".

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