Der Fernseh-„Diktator“ tritt ab

Köln · Erst Harald Schmidt, dann Thomas Gottschalk und jetzt Stefan Raab: Der geniale TV-Hansdampf in allen Gassen hängt die Schuhe an den Nagel. Mit ihm verliert das Fernsehen eines seiner schillerndsten Gesichter.

Die Liste seiner Verletzungen liest sich wie die eines Fußballstars. Der besessene Stefan Raab holte sich während seiner Zeit für ProSieben vor allem in der Show "Schlag den Raab" Blessuren wie kein anderer TV-Entertainer. Gehirnerschütterung, Jochbeinbruch, Nasenbeinbruch, Kieferhöhlenbruch, Innenbandriss, Meniskusschaden, Riss des Mittelfingers und Schürfungen ohne Ende.

Der mit vielen Preisen überhäufte Kultmoderator setzte sich immer mit voller Leidenschaft bis zur Grenze der Anarchie und mit ganzem Körpereinsatz in seinen von ihm erfundenen Fernsehshows ein. Denn er wusste, dass der Erfolg mit seiner Glaubwürdigkeit steht und fällt. Und den Erfolg brauchte er nicht nur als Präsentator, sondern auch als Produzent seiner Shows, die er zum Teil ins Ausland exportierte.

Die TV-Karriere des "King of Kotelett", so einer der vielen Spitznamen des gelernten Metzgers, aus Köln , ging 1993 beim Musiksender Viva los - mit der Sendung "Vivavision". Eher zufällig. Damals hat er lediglich als Musikproduzent ein Paar Jingles verkaufen wollen. Schnell wurde er einer der neuen Helden des Privatfernsehens. "Anfangs habe ich auch ein bisschen auf die Kacke gehauen", beschreibt er beschönigend seine von Beleidigungen strotzenden Auftritte.

Dies war kalkulierte Provokation. Mut zur Frechheit zeigte Raab auch bei Ulk-Hits wie "Ho mir ma ne Flasche Bier" mit einem Zitat des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD ). Der hochbegabte Musiker komponierte Hits am Fließband, unter anderem das Album "Stefan Raab & die Bekloppten" und das Lied "Hier kommt die Maus", für das er eine Goldene Schallplatte bekam. 1997 und 1998 erlaubte er sich einen Abstecher zum WDR und moderierte "WDR Eins Live Raabio", 1999 der Wechsel zu ProSieben mit "TV total", "Schlag den Raab" oder der "TV total Wok-WM", die ihn an die Spitze der deutschen Moderatoren-Landschaft katapultierten. Raab etablierte Formate wie "Wok-Weltmeisterschaft", "TV total Turmspringen" und "Schlag den Raab" als Familien-Shows. Zu seinen größten Leistungen zählt auch seine Teilnahme am Eurovision Song Contest 2000. Der Titel "Wadde hadde dudde da" bescherte ihm Platz fünf. 2010 schaffte er sogar das Kunststück, die Schülerin Lena Meyer-Landrut mit "Satellite" beim ESC auf Platz eins zu hieven.

Wenig bekannt ist hingegen über Raabs Privatleben. Der am 20. Oktober 1966 in Köln geborene Sohn eines Metzger-Paares lebt zurückgezogen in der Domstadt. Er hat eine Lebensgefährtin und zwei Kinder, die er nie in die Öffentlichkeit zerrt. Raab liebt das Segeln, den 1. FC Köln und gibt nur selten Interviews mit Aussagen über sich und seine beruflichen Pläne.

Einzig in einem kurzen TV-Interview, das vor knapp 20 Jahren entstand, sagte der etwa 30-jährige Raab: "Ich möchte nicht meinen Kindern erzählen: Guck mal, das im TV ist der Papa, der macht da den lustigen Onkel, damit er Euch was zum anziehen kaufen kann." Mit 50 sei spätestens Schluss.

Zuletzt begann sein Stern am Moderatorenhimmel zu verglühen. Sein Dauerbrenner "TV total" erntete immer schlechtere Reaktionen, als "lieblos produziertes Stück Fernsehschrott" bezeichnete "Spiegel online" im März die Sendung. Schon 2013 attackierte der junge ZDF-Moderator Jan Böhmermann Raab persönlich: "Es ist dieses Gaddafi-Phänomen: Man weiß einfach nicht als Diktator, wann es Zeit ist, abzutreten." Doch da hat sich Böhmermann eindeutig getäuscht.

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