Putin und die Operation Machtwechsel

Moskau. Russlands scheidender Präsident Wladimir Putin liebt Überraschungen - besonders auch auf den Parteitagen der Kremlpartei Geeintes Russland. Im vergangenen Herbst ließ er sich aus heiterem Himmel als Spitzenkandidat für die Parlamentswahl aufstellen

Moskau. Russlands scheidender Präsident Wladimir Putin liebt Überraschungen - besonders auch auf den Parteitagen der Kremlpartei Geeintes Russland. Im vergangenen Herbst ließ er sich aus heiterem Himmel als Spitzenkandidat für die Parlamentswahl aufstellen. Auf dem Parteikongress im Dezember erklärte sich der 55-Jährige dann bereit, künftig Ministerpräsident zu werden. Heute soll nach Ansicht von Experten nun ein weiterer wichtiger Baustein in der Operation Machtwechsel in Russland gesetzt werden. Auf einem aufwändig inszenierten Parteikongress in Moskau will Parteichef Boris Gryslow für Putin Platz machen. Das Parteibuch hat Putin bisher abgelehnt. Dennoch soll er Vorsitzender des Geeinten Russlands werden. Dies solle ihm nach seinem Ausscheiden aus dem Kreml am 7. Mai formal die Rolle des "nationalen Führers" sichern, schrieb die Moskauer Zeitung "Kommersant". Das Riesenreich erlebt zum ersten Mal einen solchen Übergang, bei dem der scheidende Staatschef die Zügel der Macht nicht aus der Hand gibt. Putin kann als künftiger Regierungschef auf die Zweidrittelmehrheit von Geeintes Russland in der Staatsduma bauen, die ihn praktisch unangreifbar macht. Putin und sein gewählter Wunschnachfolger Dmitri Medwedew haben zwar stets deutlich gemacht, dass genügend Machtbefugnisse für beide vorhanden seien. Trotzdem läuft das Rennen um die wichtigsten staatlichen Kommunikationsnetze und Zuständigkeiten auf vollen Touren. "Wenn Medwedew nicht nur eine Marionette sein will, sondern ein richtiger Präsident, dann muss er seine eigenen Quellen und Denkfabriken aufbauen", schrieb das russische Nachrichtenmagazin "The New Times". So gesehen gilt Putins Parteivorsitz als wichtiger Schachzug in dem Machtspiel mit Medwedew. Anders als die bisherigen Regierungschefs soll der 55-Jährige durch eine Führungsrolle bei Geeintes Russland mehr politisches Gewicht und Autonomie erhalten. Damit werde Medwedew praktisch von allen Seiten umzingelt, kommentierte das Blatt "Nesawissimaja Gaseta".Gemeinsam mit Medwedew hat sich Putin für morgen zu dem von Theaterregisseur Waleri Fokin aufgezogenen Partei-Spektakel angekündigt. Russland wartet gespannt, wie sich der unberechenbare scheidende Kremlchef entscheidet. Denn auch wenn Putin Geeintes Russland mit aus der Taufe gehoben hat, äußerte er sich bislang doch nur wenig schmeichelhaft über die knapp zwei Millionen Mitglieder starke Organisation. Gleichwohl rechnen Experten fest damit, dass Putin eine führende Funktion einnehmen wird - mit oder ohne Parteibuch. "Wenn er die Partei führt, wird diese unabhängiger von der Machtvertikale des Präsidenten", sagt der Politologe Stanislaw Belkowski. "Putin ist das Gesicht der Partei." Andere glauben, dass Putin schon aus Renommee-Gründen das Amt übernehmen werde, weil ihm das zusätzliche Medienpräsenz sichere. Mit seinem Umzug ins Weiße Haus an der Moskwa muss Putin die Kontrolle über den Geheimdienst, das Verteidigungs- und das Innenministerium sowie die Außenpolitik an Medwedew abgeben. Doch der 55-Jährige hat längst die Weichen für seine weitere Machtausübung gestellt. Nach Angaben der kremlkritischen Zeitung "Nowaja Gaseta" genehmigte der Präsident Putin dem baldigen Regierungschef Putin noch einen Stab für Öffentlichkeits- und Pressearbeit, wie ihn das Weiße Haus bisher nicht kannte - mit 185 Mitarbeitern.

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