Fingerhakeln in der Flüchtlingskrise

Berlin · Mit Blick auf den Koalitionsausschuss am Sonntag gab Fraktionschef Volker Kauder (CDU ) gestern in Berlin die Marschrichtung für die Union vor: Erst sei zu klären, was zur Bewältigung der Flüchtlingskrise getan werden müsse.

Dann, so Kauder nach der Klausur des Fraktionsvorstands, gehe es darum, mit welchen Instrumenten. Und zu guter Letzt müsse die Finanzierung sichergestellt werden. Das alles möglichst rasch. So will es auch die SPD . Die Koalition ist bemüht, möglichst an einem Strang zu ziehen. Doch es gibt Differenzen.

Ein Papier mit zwölf Maßnahmen legte die Union nach zweitägiger Beratung vor - konsequent und pragmatisch soll den Flüchtlingen jetzt geholfen werden. So will man bis zu 5000 weitere Stellen beim Bundesfreiwilligendienst für die Flüchtlingsbetreuung schaffen - genau wie die SPD . Konsequent will man aber zugleich gegen jene vorgehen, für die kein Asylgrund besteht. Asylverfahren sollen deshalb beschleunigt werden. Auch sollen die Menschen so lange in den Erstaufnahme-Einrichtungen bleiben, bis über ihren Antrag entschieden wurde. "Für die Kommunen wäre das eine große Entlastung", heißt es in dem Papier . Darüber hinaus will die Union den Kreis der sicheren Herkunftsländer auf dem Balkan ausweiten.

Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite sollen jetzt Anreize gestrichen werden, die Menschen nach Deutschland locken könnten. "Wir müssen die Flüchtlingsströme begrenzen", meinte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt . Deswegen wendet man sich gegen eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge, wie sie die Sozialdemokraten fordern. Vor allem aber soll es nur noch Sachleistungen geben statt Bargeld, solange ein Flüchtling in der Erstaufnahme ist. Eine Familie mit zwei Kindern erhalte über 400 Euro im Monat, heißt es in dem Unionspapier. Das sei "viel mehr, als beispielsweise ein Polizist in Albanien verdient".

Speziell dieses Vorhaben könnte nun für Fingerhakeln mit der SPD sorgen. Die Genossen wollen heute bei ihrer Fraktionsklausur im Mainzer Schloss ein fünfseitiges Papier beschließen, das sich weitgehend an einem schon am Montag gefassten Beschluss des Parteivorstandes orientiert. Zwar wird die Unions-Forderung, Balkan-Flüchtlingen nur noch Sachleistungen zu gewähren, nicht ausdrücklich abgelehnt. Doch hält die SPD dies für "zu aufwändig und zu bürokratisch". Im Beschlussentwurf, der unserer Zeitung vorliegt, heißt es, dass man auch mit Asylsuchenden ohne Bleibeperspektive einen "sinnvollen Umgang" finden müsse und populistische Parolen nicht weiterhülfen. Ansonsten ist die SPD wie die Union dafür, die Anträge dieses Personenkreises vordringlich und schnell zu bearbeiten, die Erstaufnahmekapazitäten auszubauen, die Gemeinden zu entlasten und Kriegsflüchtlingen besser zu helfen, auch bei der Integration in den Arbeitsmarkt.

Ein weiterer klarer Meinungsunterschied bleibt zwischen den Koalitionspartnern in der Frage eines Einwanderungsgesetzes, wie es die Sozialdemokraten fordern. Auch die Balkan-Flüchtlinge müssten eine Perspektive für eine "qualifizierte Arbeitsmigration " haben, um das Asylsystem zu entlasten, heißt es. Kauder meinte hingegen gestern: "In dieser Legislaturperiode sehe ich ein Einwanderungsgesetz nicht." Entschieden wird über diesen speziellen Punkt also wohl nicht am Sonntag, sondern erst 2017 - im Bundestagswahlkampf.

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