Das Ende der Volkskirchen

Meinung · Zu Ostern werden die Kirchen wieder voller sein als üblich, aber außer der dort verkündeten Frohen Botschaft gibt es wenig Grund zur Freude. Trotz ihrer immer noch stattlichen Zahl von jeweils knapp 25 Millionen Mitgliedern sind weder die katholische noch die evangelische Kirche echte Volkskirchen mehr

Zu Ostern werden die Kirchen wieder voller sein als üblich, aber außer der dort verkündeten Frohen Botschaft gibt es wenig Grund zur Freude. Trotz ihrer immer noch stattlichen Zahl von jeweils knapp 25 Millionen Mitgliedern sind weder die katholische noch die evangelische Kirche echte Volkskirchen mehr. Zahlen der Deutschen Bischofskonferenz verdeutlichen dies: 1950 besuchten von den damals 24 Millionen Katholiken in Deutschland zwölf Millionen regelmäßig den Gottesdienst, also jeder Zweite. Im Jahr 2010 sah das schon ganz anders aus. Da gingen von den 25 Millionen Katholiken nur noch drei Millionen regelmäßig in die Kirche. Davon sind zwei Drittel über 60 Jahre alt und mehrheitlich weiblich. Bei den Protestanten verlief die Entwicklung ähnlich.Das liegt zum einen daran, dass Katholiken wie Protestanten die Mitglieder einfach wegsterben, zum anderen werden immer weniger Kinder getauft. In Stuttgart zum Beispiel, so führte es dieser Tage Kurienkardinal Walter Kasper aus, lassen gerade noch zehn Prozent der katholischen oder evangelischen Eltern ihre Kinder taufen. Es fehlt schlicht an Nachwuchs. Davon abgesehen nimmt die Zahl der Kirchenaustritte bei beiden Konfessionen zu. Allein im Jahr 2010 erlebte die katholische Kirche in Folge der bekannt gewordenen Missbrauchsfälle einen Aderlass von 180 000 Mitgliedern, etwa 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Als ein weiterer Grund für den Austritt wird bei beiden Konfessionen immer wieder die Kirchensteuer genannt. Nach ihren Motiven befragt antworten viele auch: "Kirche ist mir gleichgültig." Das scheint die Kirchenleitungen nicht zu kümmern, sonst würden sie solchen Fragen nachgehen. Studien dazu gibt es aber keine. Man gewinnt vor allem bei den Katholiken den Eindruck, es geht nur um die Institution, nicht um die Menschen. Sonst würde Papst Benedikt XVI. Reformwünsche nicht so scharf verurteilen, wie erst jetzt wieder am Gründonnerstag geschehen.

Beiden Kirchen gelingt es offenbar nicht mehr, die Menschen zu erreichen und die Frage zu beantworten: Was habe ich denn davon, Christ in einer Gemeinde zu sein? Das klingt pragmatisch und am Nutzen orientiert, aber diese Frage stellen sich immer mehr Menschen. Darüber mag man sich empören und den Kopf schütteln, doch offenbar bleiben die Kirchen die Antwort entweder schuldig oder sie können ihre Inhalte nicht mehr vermitteln. Ihre Zukunft wird davon abhängen, ob es ihnen gelingt, auf Augenhöhe einen Dialog mit der Basis zu führen und Laien, besonders Frauen, mehr einzubeziehen. Angesichts von Priestermangel und Großpfarreien wird ihnen nichts anderes übrig bleiben. Sonst wird künftig kaum noch einer die Frohe Botschaft kennen.

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