Von einer Klangkunst, in der das Biografische eine Fußnote bleiben kann

Saarbrücken · Solist der 1. Soirée der Deutschen Radiophilharmonie am Freitag in der Congresshalle ist der 25-jährige Felix Klieser, der ohne Arme geboren wurde. Er spielt sein Instrument mit den Füßen. So bezwingend, dass er 2014 den Echopreis für Nachwuchsmusiker erhielt.

 In Saarbrücken wird Felix Klieser zusammen mit der Deutschen Radiophilharmonie unter Karel Mark Chichon zu hören sein in der Ouvertüre zu Mozarts „Zauberflöte“, in dessen Konzert für Horn und Orchester Nr. 3 sowie in Beethovens Sinfonie Nr. 3 („Eroica“). Foto: Maike Helbig

In Saarbrücken wird Felix Klieser zusammen mit der Deutschen Radiophilharmonie unter Karel Mark Chichon zu hören sein in der Ouvertüre zu Mozarts „Zauberflöte“, in dessen Konzert für Horn und Orchester Nr. 3 sowie in Beethovens Sinfonie Nr. 3 („Eroica“). Foto: Maike Helbig

Foto: Maike Helbig

Natürlich wollen die Leute sehen, wie er das macht. Bestaunen, wie er mit flinken Fußbewegungen die Instrumenthalterung aufbaut, mit dem Fuß das Mundstück aufsteckt, das linke Bein auf Schulterhöhe hebt und mit grazilen Zehen die drei Ventile des Horns bedient. Es dauere ein Weilchen, dann verebbe die Sensation des Musikers ohne Arme und man höre nur noch auf die Musik, hat er selbst einmal gesagt.

Felix Klieser wollte schon mit vier Jahren Horn spielen, warum weiß er nicht mehr. Die Eltern musizieren nicht, unterstützten aber den hartnäckig vorgetragenen Wunsch. Er hätte kaum besser wählen können. Die Bewegungen der Zehen sehen fast spielerisch, zumindest bewältigbar aus. Klieser bestätigt - die Musik werde im Mund geformt, das "Horn macht sie nur schöner." Ein Musiker erzeugt mit seinem Instrument als Schall hörbare Luftschwingung, Geiger haben Saiten, der Hornist nutzt seine Lippen. Oft nutzen Hornisten aber auch die Hand, um sie in den Trichter steckend, das Klangbild zu verändern. Felix Klieser investierte viel Zeit, um seinen eigenen Weg der Klangformung zu finden. Als professioneller Musiker muss er das Spielniveau der Kollegen mit Armen und Händen erreichen. 2014 erhielt er den "Echo Klassik für Nachwuchskünstler". Die "Hand im Trichter" geht ungefähr so: Ein enger Mundraum erhöht die Geschwindigkeit, mit der die Luft von der Lunge bis ins Horn gelangt. Dieselbe Luftmenge wird im groß gemachten Mundraum ("Gaumen nach oben, Zähne auseinander, Zunge nach unten") langsamer und erzeugt dann dunkleren Klang.

Der 25-jährige bewegt sich mit großer Souveränität und Eloquenz durch Showbusiness und Konzertwelt, er ist Gast des Rheingau- und des Schleswig-Holstein-Musik-Festivals, stand mit Sting und Simon Rattle auf der Bühne, tritt in seiner Heimatstadt Göttingen ebenso wie in Warschau oder Oslo auf. Schon seine Debüt-CD von 2013 "reveries," Musik der Romantik, mit dem Pianisten Christof Keymer, fand viel Beachtung. Im Buch "Fußnoten" erzählt er selbst seine Geschichte und gewinnt so in dem Medienrummel um ihn etwas Deutungshoheit zurück. Klieser reist gerne, mag den Kontakt zu den Menschen, etwas in seinem Blick verrät jedoch die weiten Rückzugsgebiete, die die Musik ihm gewährt. Deutlich wird das, wenn er sein eigentliches Reich, die Klangfarben, vorstellt. Das gebogene Messingblech mit dem komplizierten Innenleben hat alles, was er braucht, um Phantasie und kluge Einfühlung in Werkinterpretation umzusetzen. Er singt eine kurze Melodie, aus der einmal ein kleiner Schelm hervorlugt, und dann - selbe Tonfolge, gleiches Tempo - sich plötzlich ein etwas behäbiger und altersweiser Mann Gehör verschafft.

1. Soirée am 25.11. (20 Uhr) in der Congresshalle.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort