Ach, nichts ist langweiliger als Perfektion

Mit „Der wunderbare Waschsalon“ wurde Stephen Frears 1985 bekannt. Provokativ blieb der Brite danach auch mit dem Schwulendrama „Prick up your Ears“. Sein Hollywood-Ausflug mit „Gefährliche Liebschaften“ geriet kommerziell wie künstlerisch zum Erfolg, inklusive Oscar-Segen. Vor zehn Jahren bescherte „Die Queen“ Hauptdarstellerin Helen Mirren einen Oscar. Der könnte nun auch Meryl Streep winken. Sie gibt in „Florence Foster Jenkins“ jene selbsternannte Diva, die als schlechteste Sängerin der Welt für Furore sorgte und im New York der 40er zur Kultfigur avancierte. SZ-Mitarbeiter Dieter Osswald sprach mit Frears.

Das Publikum scheint Versager zu mögen, das war beim talentlosen Ski-Springer "Eddie the Eagle" ähnlich wie in den 40ern bei Florence Foster Jenkins . . .

Frears: Mangelnde Perfektion ist eine gute Sache.

Ist das wahre Leben interessanter, als es sich ein Drehbuch-Autor ausdenken kann?

Frears: Ich glaube, bei Geschichten, die auf dem wahren Leben basieren, kann man mehr Fantasie einsetzen als bei reiner Fiktion. Bloße Fiktion ist eine leichte Übung, da lässt sich alles ohne große Probleme machen. Wenn man es hingegen mit realem Leben zu tun hat, gibt es Grenzen. Gerade auf dieser Basis seine Fantasie einzusetzen, scheint mir als Regisseur aber viel interessanter.

Wie wahrhaftig muss man beim Porträt realer Menschen sein? Wie viel kreative Freiheit kann man sich nehmen?

Frears: Bei meinem letzten Film, "The program" über den Radprofi Lance Armstrong, habe ich sehr viel recherchiert, bei Florence schien mir die Vorstellungskraft ziemlich ausreichend zu sein. Ich erinnere mich an eine Podiumsdiskussion mit Oliver Hirschbiegel zu dessen Film "Der Untergang" in Berlin. Dort erzählte er endlos über die ganzen Nachforschungen, die er unternommen habe. Danach fragte man mich nach den Recherchen für "Die Queen". Ich antwortete: "Überhaupt keine!" Ich kenne die Queen mein ganzes Leben lang.

Florence Foster Jenkins ist für manche nur eine Trashfigur. Eine Sängerin, über die man sich lustig machen kann. Ist das letztlich der Reiz dieser Figur?

Frears: Jenkins war ja auch lächerlich. Allerdings war sie gleichzeitig berührend. Diese Widersprüchlichkeit macht sie gerade interessant. Mir war es wichtig, meiner Hauptfigur ihre Würde zu belassen.

Als Werbemittel zum Film gibt es Ohrenstöpsel, heißt es.

Frears: Schockierend! Dafür können Sie mich aber nicht verantwortlich machen.

Zu Beginn Ihrer Karriere haben Sie radikale, politische Film wie "Prick up your ears" oder "Sammy und Rosie tun es" gedreht. Sind die Zeiten für dieses Kino vorüber?

Frears: Ich kann nur solche Filme machen, die mir angeboten werden. Und ich habe, um ehrlich zu sein, kein gutes politisches Drehbuch mehr gelesen seit "Doppelspitze" aus dem Jahr 2003. Ich würde gerne wieder ein starkes Skript lesen. Aber politische Filme sind sehr schwierig zu schreiben.

Wie wichtig sind Stars im Film-Business bei der Besetzung?

Frears: Nun, in dem Fall sind Meryl Streep und Hugh Grant sozusagen meine Versicherung für diesen Film.

Was macht einen Hugh Grant zum Star?

Frears: Hugh ist wie ein böser Junge, der nach Hause kommt. Er ist wie ein verlorenes Kind, das zurückkehrt.

Sind Neflix und Co ein verlockendes Angebot für Sie? Gerade unabhängige Regisseur schwärmen von der totalen Freiheit, die man ihnen dort verspricht...

Frears: So denke ich nicht. Ich weiß nicht, was unter "totaler Freiheit`` zu verstehen sein soll. Ich bin ein Regisseur, den man engagiert. Man schickt mir ein Drehbuch und fragt, ob ich das machen möchte. Wenn mir das Skript gefällt, mache ich es. Bei "Florence Foster Jenkins" gab es keinen einzigen Punkt, an dem man Kompromisse von mir verlangt hätte. So gesehen, habe ich also absolut keinen Anlass, mich zu beschweren.

Ab Donnerstag in der Saarbrücker Camera Zwo.

Kritik zu Stephen Frears' Film (wie auch zu den anderen anlaufenden Filmen) morgen in unserer Beilage treff.region.

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