Von der Musik vergossene Tränen in Reinform

Saarbrücken · Telemanns Passionskantate mit dem klingenden Namen "Der am Ölberg zagende Jesus" ist ein Werk, das vor zarter Emphase pulsiert. Das "Via Nova Ensemble" sowie Solist Ekkehard Abele wussten dem Text am Dienstag bei ihrem Konzert im Rahmen der Saarbrücker Tage der Alten Musik (Tamis) in der Basilika St. Johann die ihm gebührende musikalische Griffigkeit zu verleihen. "Ich bin betrübt bis in den Tod", sang der in Saarbrücken ausgebildete Bassbariton mit nackter Bewegtheit in der Stimme, während die Instrumentalisten sich kategorisch bedeckt hielten, sodass wohlige Erschütterung nicht ausblieb.

Es folgte Heinrich Ignaz Franz Bibers sechste "Rosenkranzsonate" in c-Moll, mit der Violinistin Mechthild Blaumer ihr Gespür für überlegte Phrasierungen unter Beweis stellte. Die "Jeremiah-Klagelieder" Jan Dismas Zelenkas wiederum waren Auftragswerke von einer für barocke Verhältnisse teils wagemutigen Schreibweise. Begreifbar machten dies etwa die Endtakte der Gründonnerstag-Lamentatio, wenn das um zwei Oboen aufgestockte Ensemble Abeles "Ierusalem, convertere . . ." mit einem gedehnten C-Dur-Akkord im Raum stehen lässt, den das Ohr eigentlich als dominantisch ausgerichtet erfasst, sich jedoch zu der ausbleibenden Tonika nicht bekennen kann. Ein chiffrierter Zweifel oder ein Appell? Die programmatische Klammer des Tamis-Konzerts bildeten John Dowlands "Lacrimae Antique" für fünf Streicher und ihr harmonisch ironisierendes Gegenstück "Lacrimae Antique Novae". Inständiges Drängen kennzeichnete das Spiel der Barockspezialisten: von der Musik vergossene Tränen in Reinform.

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