Eine große Schau ostdeutscher Kunst im Dresdner Albertinum Späte Heimkehr der Ostkunst nach Dresden

Dresden · Dresdens Kunstsammlungen sperrten lange Zeit die Ost-Kunst weg. Nun ist sie, fast 30 Jahre nach dem Berliner Mauerfall, zurückgekehrt – und wird im Albertinum mit einer großen Überblicksausstellung gefeiert.

 Wolfgang Mattheuers, 1972 entstandenes, allegorisches Gemälde „Die Flucht des Sisyphos“ (Öl auf Hartfaserplatte) – eines der Schlüsselwerke der Dresdner Ausstellung.

Wolfgang Mattheuers, 1972 entstandenes, allegorisches Gemälde „Die Flucht des Sisyphos“ (Öl auf Hartfaserplatte) – eines der Schlüsselwerke der Dresdner Ausstellung.

Es war nicht zuletzt der Kunstkritiker Eduard Beaucamp, 81, der zu einer Zeit,  als die sogenannte Deutsche Demokratische Republik noch bestand und ihr Untergang nicht absehbar war, nicht nur entschlossen für die Avantgarde um Joseph Beuys und die New Yorker Pop-Art eintrat, sondern auch für die Kunst der DDR. Vor allem für die Maler der Leipziger Schule. Das war selbst in der Spätphase des Kalten Krieges ungewöhnlich. Beaucamp brach diese Lanze für ostdeutsche Künstler noch dazu in der eher konservativen „FAZ“. Deren Herausgeber fanden das wohl oft seltsam, drüben konnte es doch nur „Staatsmaler“ geben. Beaucamp wehrte sich mit seinem berüchtigten „Na, na!“ und blieb unbestechlich bei seiner Meinung. So wurden die Werke von Werner Tübke, Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer und anderen im Westen bekannt.

Ost-Kunst galt als „sozialistischer Realismus“, ein schlechtes Label. Hatte doch einst Otto Grotewohl, viele Jahre DDR-Ministerpräsident, verkündet: „Die Idee der Kunst muss der Marschrichtung des politischen Kampfes folgen.“ Im Dresdner Albertinum, aber auch anderswo, wurde die Ost-Kunst nach der Wiedervereinigung aus den Sälen verbannt. Ostdeutsche Kunstwissenschaftler kritisierten die Abschiebung der Werke in die Depots, aber die großteils aus dem Westen gekommenen neuen Museumschefs fanden nichts Großartiges an Malerei und Plastik aus der DDR-Ära. Das war schlecht für das ostdeutsche Kunstpublikum, das von den Bildern und Plastiken 40 Jahre lang begleitet worden war und an manchem Kunstwerk seine Identität festmachte.

Die Albertinum-Direktorin Hilke Wagner, 42, die aus Kassel stammt und seit 2014 das Dresdner Haus verwaltet, macht sich die Perspektive der Ostdeutschen zu eigen. Sie hatte gemerkt, dass Dresdner Kunstinteressierte das Albertinum mieden. Sie stieg in die Debatten ein, was nun in die Ausstellung „Ostdeutsche Malerei und Skulptur 1949-90“ gemündet hat. 140 Bilder und 30 Plastiken, in der DDR erschaffen, wurden aus den Depots in die Säle zurückgebracht. Auch andere Museen sind umgeschwenkt und präsentieren ostdeutsche Kunst, so in Berlin der Martin-Gropius-Bau und die Nationalgalerie, in Potsdam das Museum Barberini oder das Leipziger Museum der Bildenden Künste.

Im Dresdner Albertinum wurde ein Querschnitt aufbereitet, der die Vielfalt der DDR-Kunst belegt. Und ohne jede Frage deutlich macht: Es gab eben nicht nur den sozialistischen Realismus. Von der Abstraktion bis zum Neoexpressionismus wagten die ostdeutschen Künstler zu DDR-Zeiten Experimente. Sie malten großflächig, sie gaben den Leinwänden einen doppelten Boden; die „Jungen Wilden“ probierten, den offiziellen DDR-Kulturbetrieb zu unterlaufen.

Walter Womackas „Paar am Strand“ (1962) erscheint noch bieder, zeigt die Sehnsucht nach individuellem Glück. Willi Neuberts „Schachspieler“ (1964), Öl auf Hartfaserplatte, sollte den intelligenten Arbeiter symbolisieren. Wolfgang Mattheuers „Die Flucht des Sisyphos“ (1972) galt bereits als „Problembild“ – es bildete gleichnishaft die paradoxe Situation Werktätiger ab, die unter dem Regime nicht die herrschende Klasse waren, wie behauptet. Kurz vor der Implosion des Staates malte die Dresdner Junge Wilde Angela Hampel das mythologische Gemälde „Penthesilia“ (1987/88), auf dem verschreckte Menschen dargestellt sind. Die Albertinum-Schau zeigt mithin, wie unterschiedlich die Werke im künstlerischen Erbe der DDR waren und sind. Immer wieder wurden Themen behandelt, die in den Ost-Medien offiziell nicht vorkamen.

Die Liste der Maler reicht von Harald Hakenbeck über Hans Grundig, Theodor Rosenhauer, Hermann Glöckner, Hans Jüchser, Wilhelm Rudolph, Arno Rink und Cornelia Schleime bis zu den Pinselstars Tübke, Mattheuer und Heisig. Was gänzlich fehlt, sind die Dresdner Arbeiten von A. R. Penck, von dem Hilke Wagner sagt, dass er „von Dresden aus die Bildsprache revolutionierte“.

Mit der Schau im Albertinum wird der Bilderstreit, der 1990 entbrannte, nicht beendet sein. Man müsse „Aufklärungsarbeit leisten“, so Albertinum-Chefin Wagner. Es wäre wünschenswert, dabei die jeweils andere Seite überzeugen zu wollen.

 „Kind auf gelbem Stuhl“, ein 1948 enstandenes großformatiges Gemälde von Theodor Rosenhauer.

„Kind auf gelbem Stuhl“, ein 1948 enstandenes großformatiges Gemälde von Theodor Rosenhauer.

Bis 6. Januar. Di-So: 10 bis 18 Uhr

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