Bildende Kunst Ansichten einer zerlegten Welt

Metz · Das Centre Pompidou in Metz zeigt in einer gelungenen Ausstellung Fernand Léger, einen Tausendsassa der Moderne.

 Légers 1920 entstandenes Werk „Le pont du remorqueur“ aus der Kollektion des Pariser Centre Pompidou.

Légers 1920 entstandenes Werk „Le pont du remorqueur“ aus der Kollektion des Pariser Centre Pompidou.

Foto: © Centre Pompidou, MNAM-CCI/Jacques Faujour/Dist. RMN-GP © Adagp, Paris, 2017/Centre Pompidou, Metz

Die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts waren eine spannende Zeit. Der Melancholie des Fin de Siècle folgte eine Aufbruchsstimmung. Das Automobil kam auf, die Städte wuchsen rasant und wurden elektrifiziert, industrielle Massenprodukte machten Luxusartikel erschwinglich und schufen neue Begehrlichkeiten. Während Impressionisten und Postimpressionisten noch in träumerischer Landschaftsmalerei und Szenen des Pariser Stadt- und Nachlebens schwelgten, begeisterten sich junge Künstler für Technologie und Fortschritt.

Einer von ihnen war Fernand Léger (1881-1955), der sich früh von den Umbrüchen der Moderne mitreißen ließ. Gefesselt vom sich beständig verändernden Stadtbild, von Lärm und Geschwindigkeit der Automobile, den farbigen Reklamebildern und der Industrie sog Léger das moderne Leben in sich auf und bannte es mit ganz eigenen bildnerischen Mitteln auf die Leinwand. Anfangs nahm Léger den Kubismus auf, doch anders als seine Kollegen Picasso und Braque zersplitterte er nicht einzelne Objekte oder Figuren, sondern ganze Stadtansichten und komponierte so höchst dynamische Bilder.

Der Erste Weltkrieg unterbrach das Schaffen des Franzosen. Als er 1917 nach drei Jahren von den Schlachtfeldern Europas heimkehrte, war seine Schaffenskraft ungebrochen. Sein Stil änderte sich aber grundlegend. Léger zerlegte Objekt und Mensch zunehmend in abstrakte und geometrische Volumen. Der Kontrast wurde zu einem Schlüsselprinzip, wobei er auf die gegensätzliche Wirkung von Form und Farbe, Flächigkeit und plastische Formung setzte. In den 1920er Jahren wurden seine Figuren zu roboterähnlichen Objektmenschen aus Maschinenteilen. Die Stadtansichten wandelten sich zu geometrischen Abstraktionen. Erst in den 1930er Jahren malte Léger wieder realistischer, ehe er Anfang der 1940er Jahre begann, den menschlichen Körper stark zu schematisieren.

In acht Kapiteln und vierzehn Sälen und Kabinetten hat das Centre Pompidou zahlreiche Hauptwerke Légers zusammengetragen und durch monumentale Bühnenbilder, Filme, Fotos und Dokumente ergänzt. Das Museum konnte dabei auf seinen umfangreichen eigenen Bestand mit Meisterwerken wie „La Noce“ oder „Les Disques dans la Ville“ zurückgreifen und hat diese durch Leihgaben aus der ganzen Welt ergänzt. Der Ausstellungsparcours vereint chronologische Erzählung und thematische Gliederung und beweist damit, wie vielfältig Légers Schaffen war.

Der Künstler ließ sich inspirieren von der bunten Welt der Leuchtreklamen und Werbeplakate, vom städtischem Leben, Typographien und Fotografie. Zirkus und Tanz faszinieren ihn. Für Oper und Ballett entwarf er zahlreiche Bühnenbilder und Kostüme. Das frühe Kino spielte in seinem Leben eine große Rolle. 1926 drehte Léger sogar einen eigenen Experimentalfilm. Die Handlung befreite er von narrativen Elementen und rhythmisierte den Filmschnitt. Das übernahm er auch in seine Bilder. Léger verbannte das Erzählerische und „Nahaufnahmen“ wurden einige Jahre bildbestimmend. Auch die Architektur faszinierte ihn. Er schuf Glasfenster für Kirchen, bemalte Wände und kreierte Mosaike. Als bekennender Sozialist setzte er sich in seinem Spätwerk außerdem für die „kleinen Leute“ ein und malte Strandszenen und Arbeiter bei ihrem Tagewerk.

Einmal mehr zeigt das Centre Pompidou eine sehenswerte Ausstellung, deren Besuch man uneingeschränkt empfehlen kann. Die Schau zeichnet Leben und Wirken des Franzosen aufschlussreich nach und glänzt mit einer hervorragenden Auswahl an Exponaten. So lässt sich wunderbar nachvollziehen, welche Entwicklungen Léger durchlaufen hat und was sein Wirken bestimmte.

 In Légers Ölgemälde „Les trois musiciens“ (Ausschnitt) von 1930 wählt er eine eher klassische Bildkomposition.

In Légers Ölgemälde „Les trois musiciens“ (Ausschnitt) von 1930 wählt er eine eher klassische Bildkomposition.

Foto: © Von der Heydt-Museum Wuppertal / Photo: Medienzentrum, Antje Zeis-Loi © Adagp, Paris, 2017/Centre Pompidou, Metz

Bis 30. Oktober. Mo, Mi, Do: 10 bis 18 Uhr; Fr bios So: 10 bis 19 Uhr.

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