Leitartikel Knapp, knapper, Niedersachsen-Wahl

Meinung · Die SPD von Ministerpräsident Stephan Weil und die CDU seines Herausforderers Bernd Althusmann liegen derzeit Kopf an Kopf. Außerdem sind nach den letzten Umfragen am Sonntag in Niedersachsen mindestens drei Koalitionen möglich: Groko, Jamaika und die rote Ampel. Selten war eine Landtagswahl daher so spannend. In Berlin müssen Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) zudem auch persönlich bangen.

ÜS
Foto: SZ/Roby Lorenz

Die Kanzlerin wohl am meisten. Denn ihre CDU, die in Niedersachsen lange haushoch vor den Sozialdemokraten lag, hat stark an Zustimmung eingebüßt, von 40 Prozent im August auf jetzt nur noch 32 Prozent. So wie auch im Bund. Sollte es mit der schon sicher geglaubten Regierungsübernahme in Hannover nichts werden, würde man es Merkel anlasten. Auch für Martin Schulz wird das kein gemütlicher Wahlsonntag. Denn wenn Weil den derzeitigen hauchdünnen Vorsprung seiner SPD (33 Prozent) nicht über die Ziellinie retten kann oder als zweiter Sieger keine Koalition zustande bekommt, wäre das nach Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen der dritte Verlust eines wichtigen Ministerpräsidentenpostens in diesem Jahr. Schulz müsste im Dezember beim Parteitag der SPD um seine Wiederwahl als Vorsitzender bangen, mindestens um sein Stimmenergebnis.

Am spannendsten ist die Wahl aber wegen der vielen Koalitionsmöglichkeiten. FDP und Grüne (in den Umfragen je zehn Prozent) müssen sich wahrscheinlich entscheiden, ob sie eine Ampelkoalition mit der SPD oder eine Jamaika-Koalition mit der Union eingehen wollen. Ob sie also einen Sozial- oder eine Christdemokraten zum Ministerpräsidenten machen. Das dürfte bei beiden zu erheblichen Debatten führen. Eine Entscheidung gegen Jamaika in Hannover würde auch die nächste Woche beginnenden Berliner Sondierungsgespräche belasten. Eine Entscheidung dafür wäre wiederum eine Vorfestlegung, die womöglich die Verhandlungsposition beider Parteien im Bund schwächen würde. Gut möglich, dass eine Weile in Hannover jeder mit jedem verhandelt.

Außer einem Dreierbündnis geht immer die Große Koalition. Falls die derzeit bei fünf Prozent liegende Linkspartei in den Landtag käme, müsste Weil aber eventuell auch noch über Rot-Rot-Grün nachdenken. Ausgeschlossen hat er das explizit nicht, jedoch erklärt, sein Ziel sei es, die Linken weiter aus dem Landtag herauszuhalten. Die AfD liegt in den Umfragen bei sieben Prozent. Zu den Besonderheiten der Wahl gehört, dass die Wähler laut der Forschungsgruppe Wahlen am liebsten wieder eine rot-grüne Koalition hätten – diese Regierung hatte das Land bisher. Doch dafür gibt es keine Mehrheit. Im August trat eine grüne Abgeordnete zur CDU über, was die knappe rot-grüne Mehrheit zum Kippen brachte und vorgezogene Neuwahlen erzwang. Zwischen Union und SPD ist die Stimmung seitdem giftig. Erwartet wird am Sonntag ein Fotofinish zwischen beiden – und danach eine äußerst komplizierte Regierungsbildung.

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