Ein Blick auf Ingmar Bergman Bergman, der große schwedische Grübler

Fårö · Ingmar Bergman war für viele Kollegen der beste Regisseur überhaupt. Sein entlarvender Blick auf den Menschen, meinen manche, täte dem heutigen Kino gut.

 Ingmar Bergman 2001 in seiner schwedischen Heimat.

Ingmar Bergman 2001 in seiner schwedischen Heimat.

Foto: dpa/epa PB Ekstromer

Sein Haus auf der kleinen Ostseeinsel Fårö baute Ingmar Bergman nicht auf feinen Sand, sondern an einen kargen Steinstrand. Das Raue, das aufs Wesentliche Reduzierte passte gut zu ihm – und auch zu seiner meist düsteren Arbeit. Mit seinem filmischen Grübeln über die großen Sinnfragen beeinflusste der schwedische Meisterregisseur ganze Generationen.

Alt zu werden, sagte Bergman einmal, sei wie auf einen Berg steigen. „Je höher man steigt, desto mehr schwinden die Kräfte – aber desto weiter sieht man.“ Der Regisseur, so hat man das Gefühl, konnte schon früh sehr weit sehen. Er starb 2007 mit 89 Jahren auf seiner kleinen Ostseeinsel. Schon zehn Jahre zuvor kürten ihn seine Kollegen in Cannes zum „besten Filmregisseur aller Zeiten“.

Anders als vielfach angenommen, seien Bergmans Werke nicht nur intellektuell, betont der Direktor der Ingmar-Bergman-Stiftung, Jan Holmberg. Natürlich seien sie oft tiefgehend und gesellschaftskritisch – aber auch sarkastisch und ironisch. „Ich glaube nicht, dass man einen Universitäts-Abschluss braucht, um sie zu verstehen“, meint der Kurator. Vieles, wie das experimentelle Schwarz-Weiß-Drama „Persona“ (am 21. Juli im Saarbrücker Kino Achteinhalb zu sehen), müsse der Zuschauer einfach fühlen und nicht versuchen, intellektuell zu begreifen.

Derzeit sind die Filme des mehrfachen Oscarpreisträgers Bergman wieder enorm gefragt – wohl auch, weil sie einen solchen Kontrast zum aktuellen, kommerziellen Kino darstellen, meint Holmberg. „Die Menschen haben ein Bedürfnis, sich selbst zu erkunden.“ In einer Zeit, in der viele in den sozialen Medien ihre eigenen Filterblasen erschüfen, sei es wichtig, „dass jemand die weniger schmeichelhaften Aspekte der Menschen aufzeigt“.

Holmberg verwaltet Bergmans Erbe, zu dem mehr als 60 Filme für Kino und Fernsehen wie „Persona“, „Fanny und Alexander“ oder „Szenen einer Ehe“ gehören. Mit ihnen wurde Bergman weltberühmt. Doch er schrieb auch viele Theaterstücke, zahllose Drehbücher und autobiografische Texte. Die Unesco listet den Nachlass – handgeschriebene und getippte Manuskripte, Entwürfe, Notizbücher, Produktionspapiere, Fotos und rund 10 000 Briefe – als Teil des Weltdokumentenerbes.

Bergman erzählt darin vom Tod, von der Stille Gottes, von gescheiterten Künstlern, familiären Problemen. Kritiker sagen, er habe der darstellenden Kunst eine neue psychologische Tiefe und Intimität gegeben. Der eigensinnige und extrem selbstbewusste Schwede ließ Schauspieler direkt in die Kamera schauen, verlieh dem Schweigen mindestens genauso viel Kraft wie dem Wort.

Kaum ein anderer Regisseur könne auf „so eine lange Karriere und so viele Filme mit so bemerkenswert stabiler Qualität“ zurückblicken, sagt Holmberg. Spuren von Bergman erkenne er heute in den Werken von Lars von Trier („Melancholia“), bei Michael Haneke („Liebe“) und dem Franzosen Olivier Assayas („Personal Shopper“). Auch in späteren Steven-Spielberg-Filmen wie „Lincoln“ oder „München“ sehe er Bergman, sowie bei Woody Allen und sogar in modernen Streaming-Serien wie „Divorce“ und „Mad Men“.

Bergmans Ideale leben auf Fårö weiter. In die Ostseeinsel hatte sich der Regisseur bei den Dreharbeiten zu „Wie in einem Spiegel“ verliebt. „Hier will ich leben, hier will ich sterben“, soll er gesagt haben. Tatsächlich fand er hier – nach den eigenen akkuraten Regieanweisungen – die letzte Ruhe. In seinem ehemaligen Wohnhaus lassen sich heute Künstler inspirieren. Eine Stiftung vergibt Stipendien, wer eins ergattert, kann die Original-Notizen auf Bergmans Nachttisch bewundern. Am Samstag, Bergmans 100. Geburtstag, wird man sich treffen und gemeinsam Charlie Chaplins Film „Der Zirkus“ schauen – wie Bergman es an seinem Geburtstag immer mit einigen seiner neun Kinder tat.

 Bergman und die Schauspielerin Liv Ullmann 1976 in München.

Bergman und die Schauspielerin Liv Ullmann 1976 in München.

Foto: dpa/Istvan Bajzat

Eine Fundgrube ist die  Seite der Bergman-Stiftung: www.ingmarbergman.se

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