In der cineastischen Wärmestube

Schön im strengen Sinne sind sie ja selten - dennoch sind sie Kulturorte, die Videotheken, die in den frühen 80ern aus dem Boden sprossen und nach fast 30 Jahren der Blüte nun zu verwelken drohen. Jammerschade wäre es um diese neonlichtbeschienenen Oasen in nächtlichen Industriegebieten oder Lädchen auf dem Lande, wo das nächste Kino mitunter weit weg ist

Schön im strengen Sinne sind sie ja selten - dennoch sind sie Kulturorte, die Videotheken, die in den frühen 80ern aus dem Boden sprossen und nach fast 30 Jahren der Blüte nun zu verwelken drohen. Jammerschade wäre es um diese neonlichtbeschienenen Oasen in nächtlichen Industriegebieten oder Lädchen auf dem Lande, wo das nächste Kino mitunter weit weg ist.Wo sonst kann man mit Freunden im Kreis flanieren und über das Ausleihen eines Films endlos debattieren, als warte man auf Godot. "Wie wär's denn mit dem?" "Kenne ich schon." "Und wie wär's mit dem?" "Soll ja nicht so dolle sein." "Und wie wär's mit dem?" "Soll gut sein, ist aber ausgeliehen." "Ach was". Und so weiter. Zudem verströmt die Videothek, auch wenn sie Anspruchsvolles anbietet, durch ihr Brot-und-Butter-Programm des Haudrauffilms stets ein wohliges Aroma der Trashkultur, wie einst die Bahnhofskinos, die es mittlerweile nicht mehr gibt.

Die Videotheken-Glanzeiten der 80er/90er und auch der durch die DVD beflügelten 2000er sind zu Ende. Das Internet setzt den Videotheken zu - weniger das legale Herunterladen von Filmen, das sich nur langsam etabliert, sondern das illegale. Jene scheinbaren Filmfreunde, die das tun, rechtfertigen es gerne mit Pseudo-Argumenten des sozialen Ausgleichs. Variante a): "Der Clooney hat doch wirklich genug Geld." Variante b): "So lange Hollywood seine Techniker nicht besser bezahlt, kriegt es mein Geld nicht." Diebstahl, schöngeredet als Robin-Hood-Piratentum.

Die Videotheken werden weniger, die überlebenden schrumpfen oder ziehen der Miete wegen um. Ein Jammer, sind Videotheken - trotz ihrer oft wenig heimeligen Atmosphäre und des etwas schnöden Ausleihens eines Kunstwerks in abgegriffener Plastikhülle - auch Orte des Austauschs und des Plauschs. Eine grenzcineastische Wärmestube. Was soll aus jenen Gestalten werden, die gerne den Bauch an die Theke lehnen und fachmännische Sätze sagen wie: "Ach, von dem Film habe ich die Fassung aus Thailand, die ist drei Sekunden länger." Natürlich bliebe denen immer noch das Internet mit seinen DVD-Foren, wo die Besserwisserei surreale Höhen erklimmt. Doch es wäre einfach nicht dasselbe.

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