EuGH: Energieversorger müssen Strompreis-Anhebung detailliert begründen

Luxemburg · Der Blick auf die Strom- oder Gasrechnung wird zum Ärgernis, wenn mal wieder die Preise gestiegen sind. Über solche Änderungen müssen Energieversorger ihre Kunden laut einem EU-Urteil genau informieren – auch bei Standardverträgen. Das gilt sogar rückwirkend.

Strom- und Gasanbieter müssen ihre Kunden vor Preiserhöhungen genau über den Grund und Umfang informieren. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil festgelegt (Az: C-359/11 und C-400/11). Die Luxemburger Richter kippten Klauseln in Verträgen für deutsche Tarifkunden , nach denen Unternehmen die Preise einseitig anheben können. Diese Regeln entsprächen nicht dem europäischen Recht. Im vorliegenden Fall erlaubten sie Kunden ausdrücklich auch Rückzahlungsansprüche für die Vergangenheit.

Verbraucherschützer werfen Energieversorgern häufig lückenhafte Begründungen bei Preiserhöhungen vor. Konkret geht es um zwei Klagen von Verbrauchern gegen ihre Energielieferanten: die Technische Werke Schussental und die Stadtwerke Ahaus . Die Haushaltskunden hatten von 2005 bis 2008 einen Grundversorgungsvertrag für Strom und Gas. Als Tarifkunden sind sie Verbraucher, die den automatisch wirksamen Standardvertrag ihres örtlichen Anbieters nutzen, statt nach günstigeren Bedingungen zu suchen. Der Bundesgerichtshof hatte den EuGH um Hilfe bei der Auslegung von EU-Recht gebeten.

Nach Ansicht des Gerichts widersprechen die deutschen Regeln dem EU-Recht. Zwar waren auch bisher schon Versorger verpflichtet, den Tarifkunden Preiserhöhungen vorab mitzuteilen - sie mussten sie aber nicht über "Anlass, Voraussetzungen und Umfang" informieren. Dies sei nicht rechtens, meinten die EU-Richter nun. Dem Kunden müsse neben dem Recht, seinen Vertrag zu kündigen, "auch die Befugnis erteilt werden, gegen eine solche Änderung vorzugehen".

Damit der Kunde gut informiert eine Entscheidung treffen könne, müsse er rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Änderung über Anlass, Voraussetzungen und Umfang der Preiserhöhung informiert werden. Der EuGH lehnte eine zeitliche Begrenzung seines Urteils ausdrücklich ab. Es sei nicht belegt, dass das rückwirkende Kippen der bisherigen Regeln die gesamte Branche der Strom- und Gasversorgung in Deutschland erschüttern würde, argumentierten die Richter.

Bereits 2013 hatte der EU-Gerichtshof Gaskunden den Rücken gestärkt. Im März 2013 urteilten die Richter, dass Versorger auch Kunden mit Sonderkundenverträgen über Preiserhöhungen umfassend ins Bild setzen müssen. Sonst sei die Preisanhebung möglicherweise missbräuchlich und damit unwirksam.
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HintergrundIn die Grundversorgung werden Strom- und Gaskunden automatisch eingestuft, wenn sie sich nicht aktiv für den Wechsel in einen anderen Tarif entscheiden. Der Bundesnetzagentur zufolge sind weiter knapp 37 Prozent der Stromkunden in der Grundversorgung. dpa

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