Der Saarbrücker Handel braucht die Franzosen

Saarbrücken · „Ohne die Franzosen hätten wir ein Problem“, versichert Max Schoenberg, der Vorsitzende des Vereins für Handel und Gewerbe Saarbrücken. Die Nachbarn besorgten 15 bis 20 Prozent des Handelsumsatzes.

Wie der Saarbrücker Handelsverband mitteilt, wirke vor allem das größere, internationalere Sortiment anziehend auf die Kunden aus Lothringen und dem Elsass. Die Warenvielfalt gilt denn auch in der Europa-Galerie mit ihren 100 Läden als Zugpferd für die Nachbarn . Ihr Anteil wird hier sogar auf 20 bis 25 Prozent taxiert. "Mehr als 50 Prozent" der jungen Kunden seien Franzosen, sagt ein Verkäufer im "Primark".

Norbert Scheller, Chef des Globus in Güdingen, sieht den "Vorteil für die Franzosen auch bei den Preisen: Über den gesamten Warenkorb hinweg sind wir 12 bis 13 Prozent günstiger als französische Wettbewerber; bei Drogerieartikeln und Elektro-Kleingeräten ist der Unterschied noch größer." Wie der Geschäftsleiter berichtet, habe der Anteil der Franzosen vor der Euro-Einführung bei zehn bis 15 Prozent gelegen, heute komme ein Drittel der Kunden aus dem Nachbarland, samstags hätten die Nachbarn gar die Mehrheit im Haus - und folglich für den Umsatz "eine sehr hohe Bedeutung". Viele Geschäfte in Saarbrücken schicken Mitarbeiter mit Französisch-Kenntnissen an die Kundenbasis. Beim Güdinger Globus sind gar 110 der 540 Mitarbeiter aus Frankreich. Das bringt nicht nur Vorteile bei der täglichen Kommunikation, sondern auch bei der Sortimentsgestaltung. Über die Angestellten erhalten die Geschäftsleitungen Rückmeldungen über Wünsche der französischen Kunden und können ihre Angebote danach ausrichten. Auch die Saarbrücker Gastronomie sieht französische Kunden gern. Vor allem an französischen Feiertagen kämen bis zu 40 Prozent der Gäste aus Lothringen , heißt es im "Stiefel" am St. Johanner Markt. Diese Gäste bestellten oft drei Gänge und ließen sich viel Zeit fürs Essen. Auch saarländische Gerichte mit Lyoner oder gefüllten Klößen seien beliebt. Im Café Becker in der Obertorstraße heißt es, dass die Franzosen gern schon zum Frühstück salziges Gebäck sowie Brötchen mit Lachs und Schinken bestellten. Auch beim Mittagstisch stellten sie etwa 20 Prozent der Gäste.

Da die Franzosen für Handel und Gastgewerbe eine so große Rolle spielen, wird verständlich, warum die Unternehmen eine deutsche Maut fürchten. Sollte diese Abgabe auch für Bundes- und Landstraßen gelten, würden sich womöglich zahlreiche Nachbarn die Einkaufsfahrten verkneifen - sei es, weil sie sich nicht mehr rechneten, oder schlicht aus Protest gegen eine "gefühlte" Provokation.

Was etwas erstaunt: Es gibt keinerlei amtliche, wissenschaftlich fundierte Zahlen über Kundenströme aus Frankreich ins Saarland. Die Unternehmen ermitteln ihre Zahlen aufgrund eigener Beobachtungen, Zählungen oder Befragungen. Der Saarbrücker Handelsexperte Prof. Joachim Zentes, Leiter des Institutes für Handel und Internationales Marketing an der Uni des Saarlandes, spricht sich deshalb dafür aus, das fehlende Wissen durch Untersuchungen herbeizuschaffen.

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