Der Steuer-Wahlkampf ist schon eröffnet

Berlin · Der neue Bundestag wird zwar erst in rund 15 Monaten gewählt - die Parteien laufen sich aber schon mal warm für ihre Programme. Ganz oben stehen die Gerechtigkeitsdebatte und damit die Steuern- und Abgabenlast. Angesichts von Rekordeinnahmen setzen Union, SPD und der Realo-Flügel der Grünen auf Entlastungen ab 2017, linke Politiker beharren auf Klassikern wie der Wiedereinführung der Vermögensteuer und mehr Lasten für Reiche. Klar ist: Noch nie haben Bürger und Unternehmen in Deutschland so viele Steuern gezahlt - als Folge der Konjunktur, Rekordbeschäftigung, Lohnsteigerungen und Firmengewinne.

Doch unter Schwarz-Rot herrscht in der Steuerpolitik weitgehend Stillstand. Die letzte durchgreifende Reform mit einer echten Entlastung war 2005. Geht es nach der Union, sollte sich der Staat nach der Wahl 2017 spendabel zeigen. Allzu großzügig dürfte das Geschenk aber nicht ausfallen, wenn es bei dem von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU ) in Aussicht gestellten engen Spielraum bleiben sollte. Bisher gibt es vor allem Ankündigungen und markige Worte. SPD-Chef Sigmar Gabriel will die gesamte Abgabenlast - Steuern , Sozialbeiträge und Gebühren - auf den Prüfstand stellen und auch etwas für untere Einkommensgruppen tun. Bayerns Finanzminister Markus Söder will mal eben bis Juli eine umfassende Reform vorlegen. Der CSU-Mann listet all die Baustellen auf, die im Gespräch sind: Vom "Soli"-Zuschlag über den "Mittelstandsbauch" bis zur Abgeltungsteuer. Nach "Jahren des Stillstands" mahnt Söder eine "neue Gerechtigkeit" an. Schäuble erinnert aber gern daran, dass alle 16 Länder - auch Bayern - für die Wahlperiode bis Ende 2017 beschlossen hätten, dass das Steueraufkommen in ihren Kassen um keinen Euro sinken dürfe.

Auch das hat dazu geführt, dass die Steuerquote seit Jahren steigt. Sie setzt die Steuereinnahmen ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt. Und das Aufkommen für den Fiskus legt stärker zu als die Wirtschaftsleistung - auf 808 Milliarden Euro bis 2020, wie die letzte Schätzung ergab. Das wären 135 Milliarden mehr als 2015. Nach Zahlen der OECD ist die Belastung der Arbeitseinkommen durch Steuern und Sozialabgaben 2015 wieder leicht gestiegen, so dass für Arbeitnehmer etwas weniger Geld vom Bruttolohn übrig blieb. Ein Angestellter mit Durchschnittsgehalt, unverheiratet und ohne Kind, musste 49,4 Prozent abliefern. Immer mehr Arbeitnehmer fallen unter den Spitzensteuersatz von 42 Prozent. Der greift für Singles ab einem Jahreseinkommen von 53 666 Euro. Jeder Euro darüber wird also mit 42 Prozent besteuert. So ein Einkommen gilt längst nicht mehr als Top-Gehalt: In den 60er Jahren griff der Spitzensteuersatz erst beim 15-Fachen des Durchschnittsverdienstes, betont die Union. Inzwischen müsse schon fast jeder Durchschnittsverdiener den Spitzensatz zahlen. Schäuble will die Schwelle, ab der der Spitzensteuersatz greift, deutlich anheben.

Seit Jahren redet die Politik auch davon, den "Mittelstandsbauch" abzuspecken. Der entsteht, weil der progressive Einkommensteuertarif zwischen 14 und 42 Prozent nicht gleichmäßig steigt, sondern bis zu einem Einkommen von 13 670 Euro sehr steil. Folge ist, dass vor allem kleinere und mittlere Einkommen höher belastet werden. Die Kurve zu glätten, würde den Staat sehr viel Geld kosten.

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