Als ob Ian Fleming auf Jane Austen trifft

Saarbrücken · Der Brite Ian McEwan („Abbitte“, „Solar“) verbindet in seinem neuen Roman „Honig“ zwei Genre: Spionageroman und Liebesgeschichte. Dabei lässt er augenzwinkernd den Zeitgeist der 70er Jahre wieder aufleben.

Souverän und elegant ist dem englischen Schriftsteller Ian McEwan schon der Anfang seines neuen Romans "Honig" gelungen. Genau genommen enthält er bereits die ganze Geschichte: "Ich heiße Serena Frome ... und vor knapp vierzig Jahren wurde ich vom britischen Nachrichtendienst auf eine geheime Mission geschickt. Sie ging nicht gut aus. Nach nur achtzehn Monaten wurde ich gefeuert, ich hatte mich blamiert und meinen Geliebten ins Unglück gestürzt, auch wenn er selbst daran wohl nicht ganz unschuldig war."

Viel mehr ist es tatsächlich nicht, was McEwan zu erzählen hat. Aber wie es zu dieser Mesalliance zwischen Serena und dem Geheimdienst MI5 kam, was die junge Frau dort treibt, wie sie liebt und unaufhaltsam auf die Katastrophe zustürzt, das breitet McEwan zum Vergnügen des Lesers auf über 450 Seiten aus. Die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, jene Mode und der Kalte Krieg werden wieder lebendig. Er treibt dabei ein fintenreiches Spiel mit Fiktion und Realität. Und nicht zuletzt auch mit dem Leser. Wie auch anders, wenn die Ich-Erzählerin Mitarbeiterin des inländischen Geheimdienstes ist. Um Lug und Trug, um Sein und Schein ging es schon in McEwans bisher bestem Roman "Abbitte". Und hier wie dort wird durch das falsche Spiel ein Szenario in Gang gesetzt, in dem die Fragen nach Schuld und Moral, nach Wahrheit und Lüge eine zentrale Rolle spielen.

Serena wollte eigentlich englische Literatur studieren, weil sie eine geradezu gefräßige Romanleserin ist: "Lesen war meine Methode..., überhaupt nicht zu denken." Doch folgte sie dem Wunsch der Mutter und studierte Mathematik - und nebenbei Erotik, Sex und das Wesen der Männer. Schließlich hat sie sich in einen deutlich älteren Tutor verliebt, von dem sie sich für den Geheimdienst anwerben lässt. Schließlich wird es für Serena endlich ernst: Als Vielleserin erscheint sie exakt geeignet, um sich junge ehrgeizige Schriftsteller dienstbar zu machen. "Wir suchen jemanden", lautet der Auftrag unter dem Codenamen "Honig", "der auch mal an seine bedrängten Brüder im Ostblock denkt, der dort vielleicht hinreist und seine Hilfe anbietet oder Bücher hinschickt, der Petitionen für verfolgte Schriftsteller unterschreibt, sich mit seinen verlogenen marxistischen Kollegen hier anlegt, keine Angst hat, öffentlich anzuprangern, dass Castro in Kuba Schriftsteller ins Gefängnis steckt." Tom Haley, Doktorand und Autor einiger Kurzgeschichten, scheint der Richtige.

Doch Serena übererfüllt ihren Auftrag, indem sie sich zunächst in die Kurzgeschichten verliebt und ziemlich schnell in deren Schöpfer. Natürlich geht alles schief. Und am Ende zaubert Ian McEwan nicht nur eine unerwartete Volte aus dem Hut, sondern amüsiert auch noch mit munteren Anspielungen auf Schriftstellerkollegen - nicht zuletzt augenzwinkernd auf seine eigene Karriere. In "Honig" mischen sich Spionageroman und Liebesgeschichte auf wunderbare Weise, als träfen Ian Fleming und Jane Austen aufeinander.

Ian McEwan: Honig. Diogenes Verlag, 459 Seiten.

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