Medikamenten-Preisbindung droht Aus

Luxemburg · Die Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente in Deutschland ist nach Ansicht eines wichtigen EU-Gutachters nicht mit EU-Recht vereinbar. Das Urteil des EuGH steht noch aus.

 Medikamente könnten im Online-Handel billiger werden. Foto: dpa

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Rezeptpflichtige Medikamente können womöglich bald billiger über Versandapotheken aus dem EU-Ausland bezogen werden. Ihre Preisbindung in Deutschland verstoße gegen den freien Warenverkehr in der EU, heißt es in den gestern in Luxemburg veröffentlichten Schlussanträgen von Generalanwalt Maciej Szpuna am Europäischen Gerichtshof (EuGH). Demnach ist die seit 2012 für Online-Apotheken geltende Preisbindung auch nicht aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt. Das Urteil des EuGH wird in einigen Monaten erwartet. Zumeist folgt der Gerichtshof den Entscheidungsvorschlägen seiner Generalanwälte.

Im Ausgangsfall war die Deutsche Parkinson-Vereinigung, eine Selbsthilfeorganisation von Parkinson-Patienten, mit der niederländischen Versandapotheke DocMorris eine Kooperation eingegangen, damit Vereinsmitglieder dort Rabatte für rezeptpflichtige Parkinson-Medikamente erhalten. Die deutsche Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs klagte deshalb wegen Verstoßes gegen die gesetzlich vorgeschriebene Festlegung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises. Das Oberlandesgericht Düsseldorf legte den Fall dem EuGH vor und möchte vom Gerichtshof wissen, ob die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit dem freien Warenverkehr vereinbar ist.

Generalanwalt Maciej Szpunar sieht in der Preisbindung einen Verstoß gegen EU-Vorschriften zum freien Warenverkehr und verwies dazu auf ein EuGH-Urteil von 2010 zum Vertrieb von Kontaktlinsen über den Versandhandel: Nehme man einem Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit, einen Preis zu unterbieten, nehme man ihm einen Teil seiner Wettbewerbsfähigkeit. Für Waren aus anderen Mitgliedstaaten als Deutschland ergäben sich daraus Schwierigkeiten, auf den deutschen Markt zu gelangen, erklärte Szpunar. Die Preisbindung wirke deshalb wie eine "mengenmäßige Einfuhrbeschränkung", die nach den EU-Verträgen "grundsätzlich verboten ist".

Der Generalanwalt verwarf überdies die Rechtfertigung der Bundesrepublik, die Preisbindung diene dem "Gesundheitsschutz", weil damit "eine gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung in Deutschland" gesichert und "die Kosten im Gesundheitssektor" kontrolliert würden. Szpunar verwies dazu auf die Argumentation der EU-Kommission, wonach aus der Zahl der Apotheken nicht automatisch folgt, dass es flächendeckend eine gleichmäßige Versorgung gibt.

Der Geschäftsführer der Deutschen Parkinson-Vereinigung, Friedrich-Wilhelm Mehrhoff, begrüßte die Auffassung Szpunars. Eine entsprechende Entscheidung des Gerichts könnte den unheilbar an Parkinson Erkrankten "eine dauerhafte finanzielle Entlastung bei der medikamentösen Versorgung" bringen.

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