Weltgeschichte im Kleinen

Die untergründigen Verbindungen zwischen Politik, Finanzwelt und internationalem Terrorismus stellte der amerikanische Künstler Mark Lombardi in großformatigen, gezeichneten Diagrammen dar. Die Hintergründe dazu sammelte er über Jahre auf 14 000 Karteikarten. Etwa zur Verquickung des Vatikans mit Banken oder der des Bush-Clans mit der Ölindustrie

Die untergründigen Verbindungen zwischen Politik, Finanzwelt und internationalem Terrorismus stellte der amerikanische Künstler Mark Lombardi in großformatigen, gezeichneten Diagrammen dar. Die Hintergründe dazu sammelte er über Jahre auf 14 000 Karteikarten. Etwa zur Verquickung des Vatikans mit Banken oder der des Bush-Clans mit der Ölindustrie. Bin Laden tauchte lange vor "Nine Eleven" in einem seiner Werke auf. Eine seine wichtigsten Arbeiten ist gerade in Metz in der "Labyrinthe"-Schau zu sehen. Im März 2000 fand man Lombardi erhängt auf - offiziell ein Selbstmord. Mareike Wegener geht es in "Mark Lombardi. Kunst und Konspiration" weniger um eine Fragestellung dieser Todesversion als um eine Würdigung seines Schaffens. Ein formal zwar konventioneller, aber aufschlussreicher Film. cisDi 17.30 Uhr: CS 3; Mi 13 Uhr: CS 5; Sa 17.30 Uhr: CS 3.

Die eigenen Kinder schlagen, wie es sein Vater tat? Das findet Retjep "pervers". Aber er wünscht sich einen Ferrari, voller Kampfhunde, die er dann loslassen kann auf jeden, der ihm dumm kommt. "Grasmücke und Pitbulls" begleitet drei Jugendliche, ehemalige Heim-Insassen, die bei Erziehern in Spanien durch den Familienbund vorbereitet werden sollen aufs Erwachsenenleben. Eine Gedulds- und Nervenprobe für alle Beteiligten, die die Filmemacher Celia Rothmund und Sebastian Barahona oft in langen Szenen abbilden: schier endlose Diskussionen, in denen hemmunglos gelogen und taktiert wird - Fähigkeiten, die sich die Jugendlichen in ihrer Vergangenheit zwangsweise angeeignet haben. Auch von Gruppenzwängen erzählt der Film, von Männlichkeitsposen und Alpha-Tier-Gehabe. Ein überzeugender Film. tok

Di 20 Uhr: CS 5; Mi 17.30 Uhr: Achteinhalb; Do 13 Uhr: CS 5.

Die Schwäche von Regine Duras Film "Weißes Blut" über zwei Deutsche, die als Kinder 1948 im Zuge eines Adoptionsprogrammes rechtsgerichteter Buren-Kreise mit 80 anderen nach Südafrika verschifft wurden, ist die Unschärfe der geschilderten zwei Biografien. Man erfährt viel über ihre Drangsalierung als Kinder in Südafrika, wo sie weder von Buren noch Deutschen wirklich akzeptiert wurden, wenig aber über ihre spätere Etablierung in dem System. Insoweit tritt der Film bald auf der Stelle. Verdienstvoll bleibt, dass Dura eine kaum bekannte perfide Facette der Apartheitspolitik aufarbeitet: den "Import" deutscher Waisenkinder (am liebsten von SS-Offizieren) zur "Arisierung" der Buren. cis

Di 19.30 Uhr: FH; Mi 10.30: CS 5; Do 22.15 Uhr: Achteinhalb.

Der aus Saarbrücken stammende Florian Opitz müht sich in "Speed. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" um die Aufarbeitung sozialer Beschleunigungsphänomene - mit der allgegenwärtigen Wettbewerbslogik, der Kapitalisierung von Zeit als Geldwert und dem Problem der Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit alles Erdenklichen als Antriebsfeder dahinter. Opitz reist quer durch die Republik und interviewt Zeitforscher, Lebensratgeber, Burn-out-Spezialisten, Soziologen, Manager, Journalisten und zwei Aussteiger aus unserem Immer-schneller-Immer-weiter-System. Die Ausbeute ist begrenzt. Opitz, der sich mitunter etwas aufdringlich als Zeit-Patient in Szene setzt, erfindet das Rad der Entschleunigung nicht neu: Wer sich mit dem seit Jahren virulenten Thema beschäftigt hat, erfährt wenig Neues. Dennoch gelingt ihm ein flottes Feature, das die Absurditäten des Zeit-Kapitalismus im Zeitraffer persifliert. cis

Mi 19.30 Uhr: CS 2; Fr 17.30 Uhr: FH; Sa 17 Uhr: CS 4.

Am Ende sagt einer der drei in Saara Alia Waasners Film "Das Kreuz mit der Kirche" porträtierten katholischen Priester, die von der Kirche suspendiert wurden, weil sie den Zölibat nicht länger zu leben vermochten, er sei "wie ein Verbrecher behandelt worden". Es ist ein Film, der sich nicht als Anklage versteht und doch indirekt eine ist. Weil er nachdrücklich an einem Tabu der katholischen Kirche kratzt: Dass immer mehr Priester den Zölibat-Vorgaben nicht Folge leisten können, weil auch sie, wie der suspendierte Kaplan Frank Gmelch sagt, "keine asexuellen Wesen" sind. Sein Verstoßenwerden trieb ihn genauso wie die anderen beiden Porträtierten faktisch zunächst in die Mittellosigeit: ohne Anspruch auf Sozialleistungen, ohne Wohnung. Heute arbeitet Gmelch als Bestatter, die anderen schlagen sich als Eheschließer durch. Formal altbacken (mit einem Hang zu idyllischen Aufnahmen und Gitarrenmusik), ist die einfühlsame Aufarbeitung seines Themas das Kapital dieses Films, der auch die heuchlerischen Reaktionen der Kirche nicht unterschlägt. cis

Mi 20 Uhr: Kino Achteinhalb; Do 10.30 Uhr: CS 5; Sa 15.15 Uhr: CS 5 .

Ein kleiner, aber vielsagender Moment: Anfang der 90er ist die Germanistin Auma Obama Gast im Presseclub der ARD. Mit gütiger Altväterstimme konzidiert der Moderator, ihr afrikanischer Name habe "so einen schönen Klang". Es sind diese Afrika-Klischees, die sie ärgert - eines der vielen Themen in "Die Geschichte der Auma Obama". Die Filmemacherin Branwen Okpako, die Obama seit der gemeinsamen Zeit an der Filmhochschule in Berlin kennt, besucht sie in ihrer Heimat und entwirft ein mosaikartiges Bild der Kenianerin. Um Identität geht es, um eine starke Vaterfigur, um Heimat und auch um die Beziehung zu ihrem Halbbruder Barack. Als der 2008 US-Präsident wird, filmt Okpako die familiäre Freudenfeier mit - ein Stück Weltgeschichte im Kleinen; zudem sind private Bilder des ersten Besuchs Barack Obamas in Kenia zu sehen. Mitunter scheint der Film zu viele Themen anzuschneiden, um sie rasch wieder zu verlassen, etwa als es um den wohlmeinenden "positiven Rassismus" geht. Aber insgesamt gelingt das Porträt einer interessanten Person. tok

Mi 17 Uhr: CS 2; Do 15 Uhr: CS 2; Sa 17 Uhr: CS 1.

Konsequent mit Kontrasten arbeitet "Unter Wasser atmen - Das zweite Leben des Dr. Nils Jent", was das Thema nahe legt: Mit 18 Jahren verunglückt der Schweizer mit dem Motorrad. Nach vier Wochen im Koma ist er blind und körperlich schwerbehindert. Die Filmemacher Stefan Muggli und Andri Hinnen porträtieren einen Willensstarken (und vielleicht zu sehr am Rande auch seine Eltern), der gegen alle Widerstände die Schule abschließt, studiert und promoviert. Oft montiert der Film alte Super-8-Familienaufnahmen einer gesunden Jugend parallel zu den alltäglichen Mühen der Gegenwart. Ein des Themas wegen berührender Film - trotzfilmischer Mittel, über die man streiten kann: die gefühlsselige Musik und das überdeutliche Symbol von der Schildkröte, die am Filmende hin in die Freiheit taucht. Eine schlichte Szene, wie Jent geduldig auf seinem Bürostuhl zentimeterweise durch die Küche ruckelt und nach der Kaffeemaschine tastet, ist ungleich eindrücklicher. tok

Mi 17.30 CS 3; Do 20 Achteinhalb; Fr 10.30 CS 5.

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