Vollzeitjob Volksvertreter

Einem frei gewählten Abgeordneten des Bundestages, der von Beruf Bauer ist, vorschreiben, seinen Hof für die Politik aufzugeben: Das kann und will niemand. Oder einen Anwalt auffordern, seine Kanzlei vier Jahre lang zu schließen und damit seine Klienten zu verlieren.

Wenn bei den Nebentätigkeiten der Abgeordneten immer wieder nach Transparenz gerufen wurde, dann aus einem anderen Grund: Dem Wissen um die Zusatzverdienste sollte eine Konsequenz folgen können.

Zum Beispiel die, den Mann (seltener sind es Frauen) nicht wieder aufzustellen, falls er sich zu wenig um seine Arbeit im Parlament in Berlin kümmert. Oder ihn wenigstens fragen zu können, ob er von bestimmten Auftraggebern abhängig ist. Transparenz heißt Kontrolle, und Kontrolle kann Folgen haben. Peer Steinbrück hat das im vergangenen Jahr als Kanzlerkandidat der SPD überaus leidvoll erlebt.

Jetzt rücken auch andere Abgeordnete in den Blickpunkt. Die Regeln über die Selbstauskünfte sind so verschärft worden, dass sehr genau zu erkennen ist, wer im neuen Bundestag wie viel dazuverdient. Auch wenn die Summen noch immer in Stufen pauschalisiert sind, auch wenn die Auftraggeber nicht namentlich genannt werden müssen, weil Rechtsanwälte ihre Mandanten schützen wollen. Aber die jüngsten Daten des Bundestages ebenso wie die bekannt gewordene Auswertung der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung reichen für Erkenntnisse wie diese: Etwa jeder vierte Abgeordnete verdient derzeit neben seiner Diät von 9082 Euro im Monat noch etwas dazu.

Aber in der Regel sind das überschaubare Summen, für die niemand sein Mandat vernachlässigen oder gar abhängig werden würde. Und viele müssen zum Beispiel Aufsichtsratshonorare auch noch als Spenden abführen. Die Statistik besagt also: Das Gros der Parlamentarier konzentriert sich auf seine eigentliche Aufgabe. Der Bundestag ist insgesamt mitnichten das Raffke-Parlament, als das er oft gesehen wird.

Allerdings, 13 Volksvertreter kommen auf mehr als 73 000 Euro Zusatzverdienst im Jahr. Elf aus dieser Spitzengruppe sind Unionsabgeordnete, zwei kommen von der SPD. Peer Steinbrück übrigens gehört nicht dazu; er hält sich mit einem Zusatzverdienst von maximal 15 000 Euro im Jahr neuerdings merklich zurück.

Viele von denen, die große Summen zusätzlich verdienen, haben ein Direktmandat. Sie alle darf man in ihren Wahlkreisen nun fragen, warum sie nicht besser gleich ganz außerhalb des Bundestags ihre Brötchen verdienen, wo ihnen das doch so gefällt. Und wie sie das mit den zwei oder mehreren Berufen zeitlich schaffen. Denn Volksvertreter ist kein Nebenjob.

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