Private Vorsorge Private Pflegeversicherung schließt Lücke

Stuttgart · Über das Thema Pflege machen sich viele Menschen erst Gedanken, wenn ihre Eltern betroffen sind. Die gesetzliche Pflegeversicherung reicht meist nicht aus. Wer im Alter gut versorgt leben will, muss sich auch privat versichern.

 Ob pflegebedürftige Menschen ambulant oder in einem Heim betreut werden, meist kostet die Pflege viel Geld. Damit es keine finanziellen Engpässe gibt, kann man mit einer privaten Zusatzversicherung vorsorgen.

Ob pflegebedürftige Menschen ambulant oder in einem Heim betreut werden, meist kostet die Pflege viel Geld. Damit es keine finanziellen Engpässe gibt, kann man mit einer privaten Zusatzversicherung vorsorgen.

Foto: dpa-tmn/Patrick Pleul

(dpa) Wer Pflege im Alter braucht, bekommt sie. Die Frage ist jedoch, wer dafür zahlt. „Die gesetzliche Pflegeversicherung ist eine Teilkaskoabsicherung“, urteilt Peter Grieble, Versicherungsexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Sie reicht also in aller Regel nicht aus.“ Dann geht es entweder an die Rente oder das Gesparte. Reicht dieses Geld auch nicht, springen die Sozialhilfeträger ein. Auch sehr gut verdienende Kinder können zur Kasse gebeten werden. Wer das nicht will, für den könnte eine Pflegezusatzversicherung interessant sein.

Wo können Versorgungslücken entstehen?

Eine Versorgung im Pflegeheim kann an die 5000 Euro im Monat kosten. „Bei Pflegegrad fünf gibt es von der gesetzlichen Pflegeversicherung knapp 2000 Euro“, sagt Peter Grieble. „Das heißt, es müssen weitere 3000 Euro pro Monat aufgebracht werden.“

Selbst bei einer ambulanten Pflege kann es knapp werden. Auch wenn sich 85 Prozent der ambulant Pflegebedürftigen in den unteren drei Pflegegraden befinden, wie die Stiftung Warentest 2017 ermittelt hat, werden höhere Kosten fällig, wenn keine Angehörigen oder Nachbarn für die Pflege zur Verfügung stehen, sondern auf Profis zurückgegriffen werden muss.

„Wenn jemand professionell zu Hause gepflegt werden muss, können im Pflegegrad zwei 500 und im Pflegegrad drei schon über 1000 Euro mehr benötigt werden, als die gesetzliche Pflegeversicherung zahlt“, informiert Sabine Baierl-Johna von der Stiftung Warentest.

Wie kann man sich zusätzlich versichern?

Es gibt verschiedene Varianten. Beim Pflegetagegeld erhalten Versicherte je nach Pflegegrad Geld, über das sie frei verfügen können. Bei einer Pflegekostenversicherung werden nachgewiesene Kosten bei häuslicher oder stationärer Pflege zum Teil erstattet. Eine Pflegerentenversicherung wiederum wird von Lebensversicherern angeboten. Hier wird eine nach Pflegegraden gestaffelte vereinbarte Rente fällig, unabhängig von tatsächlichen Kosten. Und es gibt die staatlich geförderte private Pflegevorsorge. Sie bietet den Vorteil, dass Versicherungen einen Kunden nicht wegen einer Vorerkrankung ablehnen dürfen. Der Nachteil aus Sicht der Stiftung Warentest ist hingegen, dass die Versorgungslücke mit diesem Tarif oft nicht gedeckt wird.

Welche Variante ist sinnvoll?

 Letztlich hängt das stark von der individuellen Situation ab. Die Pflegerentenversicherung ist die teuerste Variante. Man kann allerdings mit seinen Beitragszahlungen pausieren. Bei einer Pflegekostenversicherung werden nur nachweislich entstandene Kosten erstattet, zum Teil nur bei Rechnungen professioneller Pflegedienste.

Experten raten daher am ehesten zu einer Pflegetagegeldversicherung. Hier steht das Geld frei zur Verfügung, zum Beispiel auch für Laienpflege. „Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass man diese Versicherung gegebenenfalls bis an sein Lebensende zahlen muss“, sagt Sabine Baierl-Johna. „Man kann nicht pausieren und aussetzen. Wenn man kündigt oder Beiträge nicht mehr bezahlen kann, ist alles, was man bisher eingezahlt hat, weg.“

Wer mit 45 Jahren solch eine Versicherung abschließt, bekommt für rund 56 Euro im Monat eine Absicherung, die die Versorgungslücke schließt. 55-jährige Einsteiger zahlen bereits rund 90 Euro, hat die Stiftung Warentest ausgerechnet.

Wann sollte man so einen Vertrag abschließen?

 Je früher man abschließt, desto geringer sind die monatlichen Beitragszahlungen. „Aber wenn man jünger ist, hat man vielleicht Familie und Kinder und muss sich zuerst einmal gegen Berufsunfähigkeit absichern oder möchte eine Altersvorsorge aufbauen“, sagt Baierl-Johna. „Wenn man aber im zu hohen Alter abschließt, sind die Beiträge hoch und es besteht das Risiko, dass man die Versicherung gar nicht mehr bekommt, denn die privaten Krankenversicherer stellen natürlich Fragen zum Gesundheitszustand. Leute mit Vorerkrankungen wie Arthrose, Rheuma, Bluthochdruck oder Diabetes werden häufig schon abgelehnt.“

Worauf muss man bei Vertragsabschluss achten?

 „Es kommt nicht auf den günstigsten Beitrag, sondern auf den besten Leistungsumfang an“, sagt Bianca Boss vom Bund der Versicherten. Peter Grieble meint: „Die entscheidende Frage ist, wie hoch die finanzielle Absicherung überhaupt sein soll.“ Hier gehörten Renten- und Vermögenssituation auf den Prüfstand.

Wichtig sind auch die Fragen nach einer möglichen Dynamik, Beitragsfreiheit im Leistungsfall oder weltweitem Versicherungsschutz. „Man sollte sich zum Beispiel über Karenz- und Wartezeiten informieren“, sagt Grieble. „Gute Tarife haben als Standard keine Wartezeiten.“

Wer nur bestimmte Pflegegrade absichere, könne Beiträge sparen, erklärt Baierl-Johna. „Es ist jedoch sinnvoller, alle Pflegegrade abzusichern. Man könnte höchstens den Pflegegrad eins für die Versorgung zu Hause ausschließen.“ Vieles ist bei Abschluss einer Versicherung natürlich noch reine Vermutung. „Ob das, was ich vor 20 Jahren abgeschlossen habe, mich im Leistungsfall am besten absichert, ist die Frage“, sagt Bianca Boss. „Aber wenn ich mich unabhängig habe beraten lassen und für ein gutes Produkt entschieden habe, geht das schon mal in die richtige Richtung.“

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