Hinter den Möglichkeiten Die Berufsschule braucht digitale Nachhilfe

Bonn · Eine Umfrage des Allensbach-Instituts zeigt: Digitale Medien sind in der Berufsausbildung in Deutschland bisher unterrepräsentiert.

 Digitale Lernangebote wie dieses virtuelle Schweißgerät bleiben in Deutschland weiterhin die Ausnahme.

Digitale Lernangebote wie dieses virtuelle Schweißgerät bleiben in Deutschland weiterhin die Ausnahme.

Foto: dpa/Christoph Schmidt

In der dualen Berufsausbildung werden die Möglichkeiten der Digitalisierung bei weitem nicht ausgeschöpft. Das ist eines der wesentlichen Ergebnisse einer Umfrage, die das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Deutschen Telekom Stiftung durchgeführt hat. Die Erhebung zeigt vor allem eines: Das digitale Lernen in der Berufsausbildung hinkt den Möglichkeiten oft hinterher. Denn die Berufsschulen wüssten offenbar schlicht zu wenig über die Lern­inhalte von Ausbildungsbetrieben – umgekehrt wüssten die Betriebe meist nicht, was die Auszubildenden in der Berufsschule lernten. Außerdem fehle es Betrieben und Schulen meist an IT-Ausstattung sowie an technischer Unterstützung. Das Institut befragte laut eigenen Angaben 281 Berufsschullehrer und 256 Ausbilder in Betrieben mit einer Größe von 20 bis 500 Mitarbeitern.

Den Ergebnissen der Umfrage zufolge sind lediglich 22 Prozent der Lehrer überzeugt, dass sie relativ genau darüber Bescheid wüssten, welche digitalen Kompetenzen ihren Schülern in den Ausbildungsbetrieben vermittelt würden. Weitere 37 Prozent hätten davon nur eine grobe Vorstellung. Ein Drittel hingegen habe darüber kaum oder gar keinen Überblick. Noch dürftiger fällt der Informationsstand der Ausbilder in den Betrieben aus: 56 Prozent hätten nur wenig oder keine Ahnung von den digitalen Inhalten im Berufsschulunterricht.

Auch hätten 58 Prozent der Ausbilder angegeben, dass sie sich gar nicht oder nur unregelmäßig mit Berufsschullehrern über die Lern­­­­­inhalte austauschten. Ähnlich beurteilten die Lehrer ihren Dialog mit den Ausbildern. Allerdings: 50 Prozent der Lehrer und 60 Prozent der Ausbilder hätten vor, sich öfter auszutauschen, um die digitalen Inhalte der Ausbildung zu besprechen.

Ein weiteres Problem: In Berufsschulen und Betrieben wird nicht so häufig mit digitalen Mitteln gelehrt, wie es nach Ansicht vieler Lehrer und Ausbilder erforderlich wäre. Unter den Lehrern sagten 64 Prozent, dass digitale Medien in ihrer Schule eine große oder sehr große Rolle spielten. In den Ausbildungsbetrieben stimmten dem nur 27 Prozent der Ausbilder zu. Besonders ausgeprägt sei dieser Trend in Unternehmen mit nur wenig Nachwuchs.

Doch warum spielen digitale Medien in der Ausbildung nur eine geringe Rolle? Es fehle an der Unterstützung durch die Schulleitung, klagte jeder dritte Lehrer. Ähnliche Beschwerden erhoben nur 14 Prozent der Ausbilder. Der eigentliche Knackpunkt scheint an anderer Stelle zu liegen: Laut Allensbach-Institut mangelt es an IT-Ausstattung und an technischer Unterstützung. In der Umfrage sprachen sich Lehrer und Ausbilder einhellig dafür aus, dass die technischen Voraussetzungen für den Einsatz digitaler Medien verbessert werden müssten. Lediglich 16 Prozent der Lehrer schätzten die digitale Ausstattung ihrer eigenen Schule als ausgesprochen gut ein, ein gutes Drittel bezeichneten die Ausstattung als „eher schlecht“ oder „sehr schlecht“. Ebenso fehle es der Hälfte der Berufsschulen an einem Konzept, das vorgibt, wie digitale Medien in den Unterricht einzubauen sind und welche digitalen Kompetenzen die Schüler lernen sollten.

Hinzu komme, dass die Lehrer meist einen erheblichen Wissensvorsprung gegenüber den Ausbildern hätten. Der Grund ist der Umfrage zufolge simpel: Rund drei Viertel der Pädagogen hätten schon an mindestens einer Fortbildung zum Einsatz digitaler Medien im Unterricht teilgenommen. 47 Prozent der Berufsschullehrer hätten sogar mehrere solcher Veranstaltungen besucht. Anders bei den Ausbildern in den Betrieben: Von ihnen habe bisher nur jeder Vierte eine Schulung zum Einsatz digitaler Medien in der Ausbildung mitgemacht. Das liegt laut Allensbach-Institut daran, es für Ausbilder kaum digitale Fortbildungsangebote gebe.

Die Folge: Aus Sicht der Ausbilder gelingt es den Berufsschulen kaum, die Auszubildenden ausreichend auf die digitalen Anforderungen im Berufsalltag vorzubereiten. Nur ein gutes Drittel attestierte den Berufsschulen eine gute oder sehr gute Vorbereitung der Auszubildenden im Hinblick auf digitale Kompetenzen. 56 Prozent der Ausbilder hätten hingegen den Eindruck, dass die Auszubildenden in diesem Bereich kaum oder gar nicht vorbereitet würden. Die Selbsteinschätzung der Lehrer ergibt ein anderes Bild: Laut Umfrage glaubten 71 Prozent der Lehrer, sehr gut oder gut Bescheid zu wissen, welche digitalen Kompetenzen ihre Schüler später im Arbeitsleben benötigten.

Generell beurteilten Ausbilder wie Lehrer die digitalen Kompetenzen der Kollegen eher skeptisch. Jedoch schätzten nach Angaben des Allensbach-Instituts neun von zehn Lehrern und Ausbildern die eigenen Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Medien gut bis sehr gut ein. Nur wenige Lehrer (zwölf Prozent) und Ausbilder (elf Prozent) schätzten ihre Digitalkompetenz als mangelhaft ein. Doch wissen Berufsschullehrer und Ausbilder auch, wie sich digitale Medien effektiv in den Unterricht einbauen lassen? Diese Einschätzungen fielen verhaltener aus: In der Umfrage heißt es, knapp zwei Drittel der Lehrer sei überzeugt, einen guten Überblick über die Möglichkeiten des digitalen Lernens zu haben. Unter den Ausbildern würden das nur 43 Prozent von sich behaupten. Ganze 56 Prozent der Ausbilder fühlten sich in der Sache nicht ausreichend informiert.

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