Der Drachen wird zum Dynamo

Mit riesigen Lenkdrachen wollen Ingenieure künftig Windenergie in großen Höhen gewinnen. Die Technik verspricht Vorteile gegenüber Windrädern. Denn schon in 500 Metern Höhe weht der Wind fast gleichmäßig.

Delft. Windkraftanlagen brauchen vor allem eines, um Energie erzeugen zu können: Wind. Der aber weht leider in Bodennähe meist nicht zuverlässig. Ganz anders sieht die Sache dagegen in mehreren Kilometern Höhe aus. Dort rasen sogenannte Jetstreams mit 500 Kilometern pro Stunde und mehr durch die Atmosphäre. Lässt sich dieses Starkwindband für die Energieerzeugung anzapfen? Das zumindest überlegen weltweit immer mehr Forscher, die sich mit der Energie der Zukunft beschäftigen.

Die Idee ist nicht neu. Schon in den 1970er Jahren, noch unter dem Eindruck der Ölkrisen, schlug der Physiker und Raumfahrtpionier Hermann Julius Oberth vor, Jetstreams zur Energiegewinnung zu nutzen. Erste praktische Experimente in dieser Richtung unternahm 1979 der Australier Bryan Roberts von der Technischen Universität Sydney. Seither hat er seine Idee beständig weiterentwickelt. Sein "Rotorcraft" genannter fliegender elektrischer Generator sieht ein bisschen aus wie eine Mischung aus einem Hubschrauber mit zwei Rotoren, einem Drachen und einem Ufo.

"Eine ganze Flotte dieser Fluggeräte kann in einer Höhe von vier bis fünf Kilometern und auf einer Grundfläche von 20 Kilometern Durchmesser Energie erzeugen", sagt Roberts. "Wir können auch mehr als nur zwei Rotoren verwenden, beispielsweise acht. Dann kommen wir bei einer Leistung von einem Megawatt pro Rotor auf insgesamt acht Megawatt pro Rotorcraft." Mit den fliegenden Windmühlen, wie Roberts seine Erfindung nennt, seien theoretisch Energiepreise unter zwei Cent pro Kilowattstunde möglich. Eine weniger hoch fliegende Idee verfolgt der niederländische Physiker und ehemalige Astronaut Wubbo Ockels an der TU Delft mit einer Kette riesiger Lenkdrachen. "Der Trick ist", sagt Ockels, "mit der Zugkraft, die Drachen beim Aufsteigen entwickeln, einen Generator am Boden anzutreiben. Danach lässt man die Drachen wieder herabsegeln und beginnt von Neuem mit dem Aufstieg."

Der Vorteil der Lösung liegt auf der Hand, denn die Drachen müssen nicht so hoch aufsteigen, selbst in 500 Metern Höhe können sich die Ergebnisse durchaus sehen lassen. Ockels Konzept sieht vor, solche Drachen in Schwärmen an den Himmel zu schicken. Ockels: "Wir haben kein Energieproblem. Wir müssen die Energie nur effektiver einsetzen."

Eine interessante Idee dazu kommt aus Kanada: Mars nennt sich eine gigantische mit Helium gefüllte Turbinenschraube, die in bis zu 300 Metern Höhe um ihre Mittelachse rotiert und Energie erzeugt. Das Ganze ähnelt einem rotierenden Zeppelin. Mit dieser Technik sollen Leistungen von 100 Kilowatt pro Fluggerät möglich sein.

Auch der Italiener Massimo Ippolito hat sich so seine Gedanken zur Energiezukunft gemacht. Seine Idee nennt sich Kitegen und basiert auf großen Lenkdrachen. Computergesteuert fliegen sie in bis zu 1000 Metern Höhe liegende Achten und laden mit den dabei entstehenden Zugkräften Generatoren am Boden auf. Bisher gibt es nur einen einzigen Kitegen, der sich in der Nähe von Turin in der Erprobungsphase befindet. Ein gigantisches Offshore-Kitegen-Karussell ist in Planung. Auch die deutsche Firma Enerkite blickt optimistisch in die Zukunft: "Mit doppeltem Ertrag, 95 Prozent Materialeinsparung, 75 Prozent besserer CO{-2}-Bilanz und weniger Schwankungen im Stromangebot" im Vergleich zu herkömmlichen Windrädern sind die Ziele klar gesteckt.

Auch die US-Raumfahrtbehörde Nasa hat Forschungen zu diesem Thema aufgenommen. Nasa-Fachmann Mark Moore sieht Chancen für die Energieerzeugung in größeren Höhen: "In 600 Metern Höhe ist die Windgeschwindigkeit bereits zwei- bis dreimal größer als am Boden." Mark Moore sieht einen weiteren Vorteil in der gleichmäßigeren Luftströmung, die in größeren Höhen herrscht. Die Schweizer Materialforschungsanstalt Empa schließlich entwickelt Leichtbau-Drachen als Stromproduzenten und erklärt das Funktionsprinzip dieser Technik einem Film auf der Videoplattform Youtube.

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