Apps als sicherer Begleiter Mehr Sicherheit auf dunklen Straßen

Berlin · Digitale Begleiter sollen den nächtlichen Heimweg weniger gefährlich machen. Vor allem Frauen gehören zu den Nutzern.

 Begleit-Apps wollen erreichen, dass Smartphone-Besitzer sich auf dem Heimweg sicherer fühlen.

Begleit-Apps wollen erreichen, dass Smartphone-Besitzer sich auf dem Heimweg sicherer fühlen.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Ist es die schlechte Straßenbeleuchtung, das merkwürdige Geräusch, das sich nicht zuordnen lässt, oder die Person, die gefährlich nahe hinter einem läuft? Viele, die im Dunkeln allein unterwegs sind, befällt ein unbehagliches Gefühl. Begleit-Apps fürs Smartphone sollen Nutzern mehr Sicherheit geben. Wie funktionieren solche Anwendungen und wie unterscheiden sie sich voneinander?

Wayguard ist mit mehr als 200 000 Nutzern in Deutschland der größte Anbieter. Die App wurde vom Versicherungskonzern Axa und der Polizei Köln entwickelt. Sie ist für iOS und Android kostenlos zu haben. Laut André Büge von Axa sind die meisten Nutzer zwischen 18 und 35 Jahre alt, 80 Prozent von ihnen sind weiblich. Wer die Anwendung nutzen will, wird zunächst nach seiner Handynummer gefragt. Sie wird laut Wayguard benötigt, damit der Nutzer im Ernstfall mit einer Notrufleitstelle verbunden werden kann. Dort sitzen rund um die Uhr geschulte Mitarbeiter, erklären die Organisatoren. Das Team soll die Nutzer virtuell begleiten und kann auch mit ihnen telefonieren.

Wer seinen nächtlichen Nachhauseweg antreten will, wählt die Funktion „Eigene Begleitung starten“ und entscheidet dann, ob das Wayguard-Team oder ein Freund, den er vorher über die App eingeladen hat, seine Bewegungen bis zur Haustür verfolgen soll. Dabei gibt es allerdings einen Haken: Die App verlangt den Zugriff auf das Telefonbuch des Handys. Smartphone-Nutzer, die einer Awendung nicht zu viele Berechtigungen einräumen wollen, werden dies möglicherweise vermeiden wollen. Denn die App verlangt außerdem, auf die Ortungsdienste zuzugreifen, sprich die Betreiber können den Standort des Smartphones ebenfalls sehen. Sie versprechen, die Standorte ihrer Nutzer nur abzufragen, wenn die App aktiv verwendet wird, danach würden die Daten sofort wieder gelöscht.

Falls es zu einer gefährlichen Situation kommt, können Nutzer über die App einen Notruf absetzen. Das Handy wählt daraufhin automatisch die Nummer des Wayguard-Teams. Dieses wiederum wendet sich, falls notwendig, mit den Positionsdaten des Nutzers an die Polizei. Wie oft ist das schon passiert? „Insgesamt wurden bisher etwa 1000 Notrufe abgesetzt, von denen rund 125 an die Polizei oder Rettungsdienste weitergeleitet wurden“, erklärt Büge. Die meisten Fälle seien per Telefon geklärt worden oder lediglich Tests von Nutzern gewesen.

Die App bietet neben der virtuellen Begleitung auch Verhaltenstipps. Nutzer können so erfahren, wie sie sich besser schützen können, wenn sie nachts alleine unterwegs sind.

KommGutHeim wurde Ende 2013 von drei Studenten der Universität Regensburg entwickelt. Die App bietet kein professionelles Sicherheitsteam. Stattdessen sind Eltern oder Freunde gefragt. Per Sofortnachricht werden sie informiert, sobald die betreffende Person startet. Der Begleiter bekommt auf einer Karte die Route seines Schützlings angezeigt und kann dort auch sehen, wie schnell dieser sich bewegt und welche Stromreserven der Akku des Handys noch hat. Ist alles sicher verlaufen, erhalten die digitalen Begleiter wieder eine Benachrichtigung.

Hält die App den Nutzer für inaktiv, wird dieser nach 20 Minuten gefragt, ob er noch auf dem Weg sei. Reagiert er nicht, erkundigt sich die Anwendung nach zehn Minuten erneut. Bleibt eine Reaktion abermals aus, wird der Begleiter alarmiert. Um einen Notruf absetzen zu können, müssen Nutzer der App allerdings zahlen: 1,99 Euro kostet die Zusatzfunktion für einen Monat, 8,99 Euro für ein halbes Jahr. Die App gibt es sowohl für Android- als auch für iOS-Geräte. Zahlende Nutzer können bis zu drei Notfallkontakte angeben, die im Ernstfall eine SMS mit den GPS-Koordinaten ihres Schützlings bekommen. Der Vorteil: „Andere müssen die App nicht auf ihrem Smartphone installiert haben, werden aber alarmiert und können sofort handeln, falls etwas passieren sollte“, erklärt Mitgründer Mario Pfaller. Die Wegdaten würden zwei Wochen lang in der App gespeichert.

Ein Vorteil von KommGutHeim ist, dass mehrere Kontakte als Begleitpersonen ausgewählt werden können. Auch kann ein Begleiter mehrere Menschen auf ihrem Heimweg verfolgen. So können beispielsweise Eltern zwei ihrer Kinder im Blick behalten.

Eine dritte Anwendung heißt Vivatar und wurde von der Firma Bosch ins Leben gerufen. Was die App von Wayguard und KommGutHeim unterscheidet, ist der Gefahrencountdown, den Nutzer aktivieren können. Dieser alarmiert direkt den Begleiter und fordert ihn auf, aufmerksamer zu sein. Wird der Countdown binnen zwei Minuten nicht wieder selbstständig ausgeschaltet, wird automatisch eine Telefonverbindung aufgebaut und der Lautsprecher aktiviert. So kann der Begleiter hören, was im Umfeld des Nutzers passiert und gegebenenfalls weitere Maßnahmen ergreifen.

Vivatar gibt es in einer kostenlosen und einer Premium-Version. Ohne zusätzliche Gebühr können sich Nutzer lediglich von Freunden und der Familie begleiten lassen. Für 4,99 Euro im Monat steht ihnen rund um die Uhr ein geschultes Sicherheitsteam zur Seite. Zudem können Nutzer der Premium-Version einen Notfallpass mit Gesundheitsdaten wie Blutgruppe, Erkrankungen und benötigten Medikamenten anlegen und einen Notfallkontakt hinterlegen. Für 29,99 Euro wird der „­Vivatar Go“ angeboten, ein münzgroßer Panik-Knopf, der mit der App verbunden werden kann. Mit diesem können Nutzer die wichtigsten Funktionen der App bedienen, ohne das Smartphone in die Hand nehmen zu müssen.

 Smartphone-Apps sollen helfen, Nutzer sicher nach Hause zu bringen.

Smartphone-Apps sollen helfen, Nutzer sicher nach Hause zu bringen.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Das Heimwegtelefon: Alle drei Begleit-Apps sollen das Sicherheitsgefühl des Nutzers stärken. Sie haben allerdings ein gemeinsames Problem: Sie funktionieren nur, solange das Handy mit dem Internet verbunden ist. Eine Alternative bietet das Heimwegtelefon. Wer bei dieser Berliner Hotline anruft, kann sich abends und am Wochenende mit dessen ehrenamtlichen Mitarbeitern unterhalten und erhält Hilfe im Notfall. Das Heimwegtelefon ist unter der Telefonnummer
(0 30) 12 07 41 82 zu erreichen. Die Leitungen des Dienstes sind offen von sonntags bis donnerstags, zwischen 20 und 24 Uhr, sowie freitags und samstags zwischen 22 und 4 Uhr morgens.

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