Von der Leyen plant neue Sicherheitspolitik

Berlin · Acht Jahre ist die letzte Fassung des „Weißbuchs Bundeswehr“ mittlerweile alt. Veraltet, sagt Ministerin von der Leyen und stößt die Debatte zur Neufassung an. Dabei geht es auch um Deutschlands Rolle in der Welt.

Bundespräsident Joachim Gauck hat sich vor einem Jahr mit seinem Satz, dass Deutschland "mehr Verantwortung" übernehmen müsse, heftige Kritik der Linken zugezogen. Und sein Vorgänger Horst Köhler trat sogar zurück, nachdem er aus dem "Weißbuch" der Bundeswehr zitiert hatte, dass Sicherheitspolitik auch wirtschaftlichen Interessen diene. So ein Weißbuch ist eben weit mehr als ein 150 Seiten dickes Papier. Es ist liefert Stoff für grundsätzliche Debatten. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU ) gab bei einer Veranstaltung mit zahlreichen Militärs, Diplomaten und Politikern gestern in Berlin den Startschuss zur Neufassung des acht Jahre alten Textes. Vorgabe der Ministerin: "Es gibt keinen Zugzwang. Aber auch kein Tabu."

Bis 2016 soll die Debatte mit einem Kabinettsbeschluss abgeschlossen sein, unter möglichst breiter Beteiligung der Öffentlichkeit. Eine Internetseite www.weissbuch.de ist bereits freigeschaltet. Bei der Auftaktveranstaltung wurden Meinungsunterschiede deutlich. So schlug der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes, vor, Deutschland als "verantwortliche mittlere Macht" zu definieren, die zusammen mit anderen die europäische und globale Ordnung wahren und weiter entwickeln solle. Der zweite Hauptredner, Robin Niblett, Strategieexperte aus Großbritannien, wollte mehr. Deutschland sei, wenn man auch seine wirtschaftliche Kraft und seine Bedeutung in internationalen Institutionen berücksichtige, eine "mittlere Großmacht". Deutschland habe wie kein anderes Land von der internationalen Ordnung profitiert. "Man kann nicht nur die Vorteile daraus ziehen."

Deshalb, so Niblett müsse Deutschland zum Beispiel das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) unterstützen. Außerdem brauche es eine professionelle Armee und müsse mindestens in Europa Führungsverantwortung übernehmen. Der Brite widersprach damit direkt von der Leyen, die betont hatte, dass Deutschland "aus der Mitte" führen solle.

Die Neufassung des Weißbuches ist laut von der Leyen notwendig, weil sich seit 2006 viel verändert hat. Sie nannte die Bedrohung durch Terrorgruppen wie IS. Dann die Möglichkeit von Cyber-Angriffen und schließlich auch die "hybride", verdeckte Aggression, wie sie jetzt in der Ostukraine stattfinde. Hinzu kämen die vielen anderen Herausforderungen, von Flüchtlingsströmen über Ebola bis zur globalen Konkurrenz um Ressourcen. Wie sich das alles in eine neue Sicherheitsdoktrin und dann auch in die konkrete Ausstattung der Bundeswehr und anderer Institutionen niederschlagen wird, ist noch nicht absehbar. Klar wurden gestern aber schon zwei Punkte: Es soll ein integriertes Sicherheitskonzept werden, unter Einbeziehung der Diplomatie und auch der Entwicklungshilfe. Und es erfordert mehr Geld. "Zuguterletzt", sagte die Ministerin, "geht es auch um ein angemessenes Budget".

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