Mitten im Wüstensturm

Amman. Sand. Überall Sand. Die feinen Körner setzen sich in jede Pore. Die ständigen Sandstürme sind eine Qual. Viele der sowieso schon kranken Kinder haben in dieser gottverlassenen Wüstengegend nun auch noch Asthma bekommen. Erst mussten die Menschen bei ihrer Flucht über die syrische Grenze um Leib und Leben fürchten

 Dirk Niebel bekam in Jordanien die Verzweiflung der Flüchtlinge aus Syrien zu spüren. Foto: dpa

Dirk Niebel bekam in Jordanien die Verzweiflung der Flüchtlinge aus Syrien zu spüren. Foto: dpa

Amman. Sand. Überall Sand. Die feinen Körner setzen sich in jede Pore. Die ständigen Sandstürme sind eine Qual. Viele der sowieso schon kranken Kinder haben in dieser gottverlassenen Wüstengegend nun auch noch Asthma bekommen. Erst mussten die Menschen bei ihrer Flucht über die syrische Grenze um Leib und Leben fürchten. Jetzt sind sie hier im jordanischen Lager Zaatari eingepfercht und dem Wind ausgesetzt.Die Verzweiflung im Lager ist groß. Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) bekommt dies zu spüren, als er für einen Kurzbesuch in der künstlichen Stadt weilt. Eine Gruppe junger Männer skandiert wütend und wild. "Das ist kein Zustand hier, wir wollen raus!" So die Übersetzung. Auch Wadi will wieder weg. Er ist gerade mal elf Jahre alt und mit seinen beiden kleineren Geschwistern mit Hilfe eines Verwandten vor den Kämpfen in Syrien geflohen. Zu seinen Eltern hat er keinen Kontakt mehr. Wadi fühlt sich schlecht. "Der ganze Staub", klagt er. Minister Niebel weiß um die katastrophale Lage des Camps. Hoffnung kann er dem Jungen und den anderen Flüchtlingen aber nicht machen, dass sich bald etwas ändern wird. Die jordanische Regierung ist mit dem Ansturm aus dem Nachbarland einfach überfordert.

Die syrische Grenze ist zu Fuß nur 30 Minuten entfernt. Kamen anfänglich vereinzelt Flüchtlinge, so sind es angesichts des nicht enden wollenden Krieges allein hier nun täglich 250. Das ganze Drama des Kampfes von Baschar al-Assad gegen die eigene Bevölkerung wird in der Zeltstadt von Zaatari sichtbar. Dreiviertel der Flüchtlinge sind laut den Hilfswerken Frauen und Kinder, viele Frauen sind schwanger, die Kinder nicht geimpft und krank. Auf einem Wüsten-Areal von neun Quadratkilometern soll irgendwann womöglich Platz für 100 000 Menschen sein, 5600 sind derzeit schon in den Zelten und in ersten Containern untergebracht. Das deutsche THW hat für die Wasserversorgung gesorgt, für Sanitäranlagen und etwas Hygiene. Die internationalen Hilfswerke geben ihr Bestes, das lindert die Not wenigstens etwas. Fast jeden Tag gibt es aber Scharmützel zwischen syrischen und jordanischen Soldaten an der nahen Grenze. Oft geraten Menschen bei ihrer Flucht unter Beschuss.

Anfangs war die Bevölkerung im Sechs-Millionen Einwohner-Land Jordanien noch offenherzig, die meisten der bisher 150 000 über die Grenze Geflohenen wurden in die Dörfer und Städte integriert. Doch die Kapazitäten des armen Landes sind begrenzt - deshalb wurde von der Regierung das Lager auf dem kargen Boden errichtet. Die eigene Bevölkerung soll nicht überfordert werden. Minister Niebel ist mit finanzieller Hilfe im Gepäck nach Jordanien gereist: Zehn Millionen Euro, davon 1,5 Millionen für die Gesundheitsversorgung und 8,5 Millionen für den wichtigen Ausbau der Wasserversorgung. Das Geld soll Flüchtlingen wie Einheimischen helfen. Niebel sieht in seinem Kurzbesuch das politische Signal, dass die internationale Gemeinschaft die Leistung des kleinen Landes anerkennt. Dadurch hofft der Minister auch Druck von der Regierung in Amman nehmen zu können, die die Grenzen zu Syrien trotz des wachsenden Unmuts in der eigenen Bevölkerung noch offen halten will. Außerdem kommt dem pro-westlichen Jordanien eine besondere Rolle in der Region zu - es ist sozusagen ein Puffer inmitten all der Konflikte.

Allerdings wird die Lage wegen des anhaltenden Flüchtlingsstroms immer prekärer. Zugleich dämpfen jordanische Regierungskreise die Hoffnungen der westlichen Staatengemeinschaft, das Assad-Regime stünde kurz vor dem Aus. In diesem Jahr nicht, lautet die Prognose der jordanischen Seite. Auch gibt es noch ein weiteres Angstszenario - es betrifft die Zeit nach Assad. Hunderttausende Menschen könnten dann aus Furcht vor der Opposition aus Syrien fliehen, wenn Assads Schreckensherrschaft kollabiert ist.

 Dirk Niebel bekam in Jordanien die Verzweiflung der Flüchtlinge aus Syrien zu spüren. Foto: dpa

Dirk Niebel bekam in Jordanien die Verzweiflung der Flüchtlinge aus Syrien zu spüren. Foto: dpa

Im Camp sehnen die Flüchtlinge das Ende des Diktators herbei. Jeder im Lager möchte so bald wie möglich zurückkehren, auch der kleine Junge Wadi.

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