Union versus SPD Die Schwarzen sehen rot

Berlin/München · Die Union empört sich über Schulz, ist aber dennoch unter Zugzwang: Denn ihr Wahlprogramm hat noch Lücken.

 Ein Mann im Fokus seiner Gegner: Mit seinem Vorwurf der Inhaltsleere an die CDU ist SPD-Kanzlerkandidat zum Angriffsziel der Union geworden. Die Christdemokraten empören sich vor allem über Schulz’ Aussage, die Kanzlerin betreibe mit ihrem vagen Wahlprogramm einen „Anschlag auf die Demokratie“.

Ein Mann im Fokus seiner Gegner: Mit seinem Vorwurf der Inhaltsleere an die CDU ist SPD-Kanzlerkandidat zum Angriffsziel der Union geworden. Die Christdemokraten empören sich vor allem über Schulz’ Aussage, die Kanzlerin betreibe mit ihrem vagen Wahlprogramm einen „Anschlag auf die Demokratie“.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

() Drei Monate vor der Bundestagswahl liegt die SPD vorn. Zumindest, was ein besiegeltes Programm angeht, mit dem Kanzlerkandidat Martin Schulz nun aus dem Umfrageloch kommen will. Und die Union? Noch eine Woche wollen sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer Zeit nehmen, nachdem sich beide Schwesterparteien nach heftigem Zoff um den Flüchtlingskurs wieder demonstrativ mögen. Tag der Programm-Präsentation: Montag, 3. Juli.

Die CDU hat immerhin schon ihren zentralen Slogan enthüllt: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben.“ Aber was soll das konkret bedeuten? Mit einer scharfen Attacke hat Schulz nun den Versuch gestartet, die Union über fehlende Inhalte zu stellen. Ein „Anschlag auf die Demokratie“ sei es, wenn Merkel Festlegungen scheue und damit eine geringere Wahlbeteiligung in Kauf nehme, donnerte der Herausforderer beim SPD-Parteitag in Dortmund. Und bringt die Union damit mächtig in Wallung.

Gestern mobilisiert diese taktisch durchaus gewagte Breitseite gegen die Kanzlerin zumindest die Spitzen der Union – zu einem dosierten Konter. „Eine billige Attacke“, sagt CDU-Bundesvize Armin Laschet vor einer Vorstandssitzung in Berlin. „Keiner glaubt, dass Angela Merkel Anschläge auf die Demokratie plant.“  Auch Seehofer ist um Gelassenheit bemüht, stichelt aber postwendend gegen Schulz: „Er scheint zu einem relativ frühen Zeitpunkt des Wahlkampfes die Nerven verloren zu haben.“ Und das sei ja „kein gutes Zeichen für einen Kanzlerkandidaten, eigentlich unwürdig“. Der Kandidat Schulz sei „angezählt“, meint Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). „Wenn‘s fürs Spiel nicht langt, fängt man das Foulen an“, steuert Bayerns Finanzminister Markus Söder eine Weisheit aus dem Fußball bei.

Treiben lassen beim eigenen Wahlprogramm will sich die Union in der letzten Woche ihres Zeitplans nun aber auch nicht mehr. „Vor der Sommerpause weiß jeder, wo die Union steht, und das war unser Ziel“, sagt Laschet schon am Sonntagabend, bevor es im engeren Zirkel des CDU-Präsidiums an den Feinschliff geht. Gestern sind dann die größeren Vorstände von CDU und CSU an der Reihe gewesen.

Danach wird deutlich, dass durchaus noch nicht alle zu allem „gut und gerne“ sagen. Größeren Klärungsbedarf gibt es zum Beispiel beim Kernthema Finanzen. Am Wochenende trommelten der Wirtschaftsflügel und die Junge Union für stärkere Steuerentlastungen für Familien mit Kindern. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beharrt auf einer Größenordnung von maximal 15 Milliarden Euro, auch Seehofer wehrt weitere Begehrlichkeiten ab – auch mit Verweis auf den ja ebenfalls geplanten Abbau des Solidaritätszuschlags. Offen ist daneben, ob und wie eine Verschärfung der Regeln zur doppelten Staatsbürgerschaft aussehen könnte. Der CDU-Parteitag hatte gegen Merkels Willen dafür votiert, sehr zur Freude der CSU, die auch die aktuelle Regelung wieder einkassieren will.

Ziemlich klar ist immerhin, welche CSU-Forderungen nicht mit der CDU kompatibel sind: Die Obergrenze – laut Seehofer eine notwendige „rote Linie“ von maximal 200 000 Flüchtlingen pro Jahr –, die Ausweitung der Mütterrente für Kinder, die nach 1992 geboren wurden, und der Ruf nach Volksabstimmungen auf Bundesebene kommen so gut wie sicher nur in den „Bayernplan“, den die CSU wieder solo aufstellen will.

Erst einmal nicht aufnehmen will die Union den Ball, dass nun auch Schulz die „Ehe für alle“ zur Bedingung für künftige Koalitionen erklärt hat. Er bedauere solche Forderungen, da „höchstpersönliche Entscheidungen“ nicht Teil der Parteipolitik werden sollten, sagt Seehofer, der eigentlich keine Scheu vor roten Linien hat. Laschet mahnt, es gebe am Ende gar keine neue Regierung, wenn jetzt jeder Sachthemen zur Bedingung erkläre: „Ich hätte auch noch drei.“

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