Ex-Wehrbeauftragter sieht kein systematisches Radikalismusproblem unter den Soldaten

Saarbrücken/Berlin · Hellmut Königshaus war von 2010 bis 2015 Wehrbeauftragter und ist jetzt Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft. Im Gespräch mit unserem Berliner Korrespondenten Werner Kolhoff stützt der 66jährige ehemalige FDP-Bundestagsabgeordnete das Vorgehen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in der aktuellen Bundeswehraffäre.

Hat die Bundeswehr ein Traditionsproblem?
Hellmut Königshaus: Sie muss natürlich eine gewisse Tradition pflegen. Und sie hat natürlich, wie jede Armee, einen gewissen Korpsgeist. Den braucht sie auch, denn die Soldaten sind im Notfall auf Leben und Tod aufeinander angewiesen. Die Frage ist nur, wie ausgeprägt dieser Korpsgeist geht.

Was meinen Sie?
Hellmut Königshaus: Nach den vorliegenden Informationen gab es ja eine Masterarbeit des Soldaten A. mit offenbar rechtsradikalem Gedankengut. Das wurde nicht an die zuständigen Stellen weitergemeldet, und es wurden daraus auch keine Konsequenzen gezogen. Ob das aber das Ergebnis von falsch verstandenem Korpsgeist, von mangelnder Haltung oder von heimlicher Sympathie ist, das müssen jetzt die Untersuchungen ergeben.

Es geht auch um den Umgang der Bundeswehr mit der Wehrmacht. Ist Ihnen das als Problem begegnet?
Hellmut Königshaus: Nein, als strukturelles Problem nicht. Obwohl die Bundeswehr von ihrer Geschichte her nach dem Krieg ja von früheren Wehrmachtsoffizieren mitaufgebaut wurde, wodurch sich eine gewisse Verbindung ergibt. Dass der Geist der Wehrmacht und der Nationalsozialisten keine Traditionslinie begründen darf, ist vollkommen klar. Ich hatte es hier und da mit Einzelfällen zu tun, die wirklich Einzelfälle waren. So etwas wie jetzt gab es nicht; das hätte ich ehrlich gesagt auch nicht für möglich gehalten.

Hat Verteidigungsministerin von der Leyen mit ihrer Bemerkung überzogen, dass es in der Bundeswehr ein generelles Haltungsproblem gebe?
Hellmut Königshaus: Sie hat so wie ich und wie viele andere auch zunächst einmal mit Entsetzen darauf reagiert, dass so etwas heute möglich sein kann. Inzwischen hat sie ihre Worte relativiert und deutlich gemacht, dass sie damit keine pauschale Bewertung der Bundeswehr insgesamt meinte.

Was sollte jetzt geschehen?

Hellmut Königshaus: Zum einen ist der Militärische Abschirmdienst ganz offenkundig personell überlastet. Das hatte ich früher auch schon festgestellt. Der MAD muss gestärkt werden. Allerdings nützt das nichts, wenn ihm wichtige Erkenntnisse vorenthalten werden. Die Vorgesetzten sind natürlich gehalten, einen Verdacht an die zuständigen Stellen weiterzuleiten. Das ist hier nicht geschehen.

Sie sind ja auch Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft. Bestätigt dieser Vorgang im Ausland Vorbehalte gegen die Bundeswehr, gegen Deutschland insgesamt?
Hellmut Königshaus: Nein, den Eindruck habe ich nicht. Die öffentliche Reaktion auf die Enthüllungen war in Deutschland sehr klar. Und das hat deutlich gemacht, dass derartige Umtriebe bei uns keinen Raum haben und sofort gründlich aufgeklärt werden.

Ist der Umgang der Verteidigungsministerin mit der Affäre demnach grundsätzlich richtig?
Hellmut Königshaus: Ja. Sie hat einerseits die politische Verantwortung für die Bundeswehr insgesamt. Andererseits kann sie nicht jede Masterarbeit eines Offiziersanwärters kennen. Sie ist darauf angewiesen, dass die entsprechenden Stellen ihre Aufgabe wahrnehmen. Wenn sie nun feststellt, dass eben dieser Arbeitsfluss nicht funktioniert, dass es da Probleme gibt, dann ist sie zum Eingreifen gefordert. Und das tut sie.

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