„Das wird so schnell kein netter Nachbar“

Saarbrücken · EU-Parlamentarier Herbert Reul über seine Erlebnisse und Gespräche in Nordkorea

Fast zehn Tage hat eine Delegation des EU-Parlaments Nord- und Südkorea bereist und dort bis Samstag politische Gespräche geführt. Es war der erste hochrangige Kontakt von West-Politikern mit Pjöngjang seit der Krise um den nordkoreanischen Atomtest im Frühjahr. Unser Berliner Korrespondent Werner Kolhoff sprach mit dem Leiter der Delegation, dem CDU-Europaparlamentarier Herbert Reul, über seine Eindrücke.
F.: Es war persönlich Ihre erste Reise nach Nordkorea. Wie erlebt man das?
A: Man erschrickt schon. An den Straßen hocken Menschen und jäten Unkraut aus dem Pflaster, an jeder Ecke sind Soldaten. Und dann kriegten wir auf der anderen Seite eine hochmoderne Fabrik vorgeführt. Allerdings lief das Band so langsam, dass man das auch mit der Hand hätte machen könnte.

F. Gibt es Veränderung seit der Machtübernahme von Kim Jong Un?
A.: Die Kollegen, die schon öfter da waren, sagen, es sei dort offener geworden. Wir haben junge Leute gesehen, die modisch gekleidet waren und Handys hatten. Die Leute gucken offener. Es waren auch mehr Autos auf den Straßen. Aber die Wohnhäuser sehen teilweise erschreckend aus.

F. Im Frühjahr kam noch Kriegsgeschrei aus Pjöngjang. Ist die Krise auf der koreanischen Halbinsel zu Ende?
A.. Nein, aber sie hat sich etwas entspannt. Der Süden ist sehr an Zusammenarbeit interessiert und der Norden scheint begriffen zu haben, dass er mit militärischen Aktionen auf Dauer nichts gewinnt.

F.: Gerade ist im Panama-Kanal ein Schiff aufgebracht worden, voll mit Rüstungsgütern aus Kuba für Nordkorea. Wie passt das?
A.: Der Norden wird sicher so schnell kein netter Nachbar werden. In den Gesprächen, die wir mit Parlamentariern und Regierungsvertretern geführt haben, wurden uns zwei große Ziele vermittelt: Erstens ökonomische Erneuerung und zweitens die nukleare Aufrüstung.

F.: Also gibt es wohl auch keine Bereitschaft, die seit 2009 gestoppten Sechs-Parteien-Gespräche zum Stopp des Atomprogramms wieder aufzunehmen?
A.: Im Moment sehe ich die nicht. Uns wurde zwar immer wieder signalisiert, dass man an Gesprächen interessiert sei. Allerdings wurde das dann gleichzeitig mit der Festlegung verbunden, dass man an der atomaren Aufrüstung festhalte. Das macht Gespräche natürlich fast unmöglich.

F.: Wie wird es mit der gemeinsamen Wirtschaftszone Kaesong weitergehen, die Nordkorea im Frühjahr einseitig geschlossen hat?
A.: Hier haben uns die Nordkoreaner gesagt, dass sie eine Lösung wollen und die Zone weiterbetreiben möchten. Aber sie sagen gleichzeitig, dass sie sich nicht auf neue Bedingungen einlassen. Wir haben ihnen gesagt, wer Investitionen ins Land holen will, kann nicht einfach eine solche Einrichtung dicht machen, wie das geschehen ist. Da muss es Garantien geben. Kaesong war ein sehr großer Fehler Pjöngjangs.

F.: Irgendwie wollen die Nordkoreaner offenbar beides: Böser Bube bleiben und von der internationalen Kooperation profitieren.
A.: Sie haben eine stabile, harte Ideologie. Aber sie wissen auch, dass sie ihre Wirtschaft entwickeln müssen. Sie kriegen ihre Nahrungsmittelversorgung immer noch nicht in den Griff. Wir haben versucht, den Nordkoreanern zu erklären, dass sie sich bewegen müssen. Wer wirtschaftlichen Fortschritt haben will, muss Ja zum Welthandel sagen, und wer das sagt, der muss offen, verlässlich und auch friedlich sein. F.: Haben Sie auch das Thema Menschenrechte angesprochen?A.: Natürlich. Die Reaktion war zu einen ein Bestreiten der Vorwürfe und zum anderen ein Ausweichen auf den Koreakrieg und angebliche imperialistische Aggressoren. Interessant war aber, dass es auch Gesprächspartner gab, die auf diese Fragen gar nicht geantwortet haben. Also auch nicht mit solchen Rechtfertigungen. Ich interpretiere das als: Die haben zumindest verstanden, was wir wollen.

F.: Kann die EU auf der koreanischen Halbinsel etwas bewegen?
A.: Ja, sie kann dort eine große Rolle spielen, weil sich die USA und Südkorea auf der einen Seite und Nordkorea auf der anderen Seite gegenseitig blockieren. Europa kann helfen, die Situation zu öffnen, Kontakte herzustellen, Kommunikation zu ermöglichen.

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