"Außerhalb der USA ist alles Freiwild"

Chef des IT-Bundesverbandes warnt vor Sorglosigkeit im Internet Angesichts der groß angelegten Ausspähaktion des US-Geheimdienstes NSA warnt der Präsident des IT-Bundesverbandes BITMi, Oliver Grün, vor der allgemeinen Sorglosigkeit im Umgang mit dem Internet. Unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter fragte nach:

Herr Grün, sind Sie von dem Spionage-Skandal überrascht?

Oliver Grün: Die Internet-Überwachung selbst ist weniger überraschend, wohl aber ihr Ausmaß. In den USA sind die entsprechenden Gesetze so gestrickt, dass alles Freiwild ist, was außerhalb des Landes passiert. Unser Verband hat deshalb schon immer davor gewarnt, dass, wenn man zum Beispiel Google Mail Accounts nutzt, nach US-Recht alles darüber gespeichert und verwendet werden darf.

Also am Ende doch nichts Neues?

Grün: Neu ist, dass keiner wusste, dass die NSA tatsächlich Daten abgreift und speichert. Und das offensichtlich in einer erschreckenden Dimension. Alles was gespeichert wird, kann nun aber jederzeit auch später systematisch ausgewertet werden: Internetseitenbesuche, aber auch die E-Mails können nach bestimmten Inhalten durchsucht werden, sodass ein persönliches Profil erstellt werden kann. Im Internet glauben die Menschen unbeobachtet und anonym zu sein. Doch genau das Gegenteil ist der Fall.

Welche Anhaltspunkte gibt es, dass die NSA auch deutsche Unternehmen per Internet ausspioniert?

Grün: Der ehemalige CIA-Direktor Woolsey hatte schon im Jahr 2000 etwas sehr Interessantes erklärt: Wenn sie bei ihren gesammelten Daten auf technologische Neuerungen stießen, dann könnten solche Informationen auch an US-Unternehmen weiter gegeben werden. Das ist letztlich staatliche Industriespionage. Heute wissen wir, dass die massenhafte Sammlung von Daten nicht nur Theorie war. Addiert man hier Eins und Eins zusammen, ist das beängstigend auch für deutsche Unternehmen.

Lässt sich der Schaden solcher Schnüffel-Aktionen beziffern?

Grün: Der neue Schaden sicher nicht. Aber es gibt wissenschaftlich fundierte Untersuchungen, wonach Deutschland durch Industrie-Spionage und Internet-Kriminalität Schäden von vier bis fünf Milliarden Euro pro Jahr entstehen. Angesichts der jüngsten Enthüllungen über die NSA dürfte das nur die Spitze des Eisbergs sein.

Viele Privatpersonen gehen im Internet sorglos mit ihren Daten um, Betriebe auch?

Grün: Ja, leider. Das betrifft vor allem kleinere und mittlere Betriebe. Im Internet sind alle sorglos. Das ist unfassbar.

Nun sitzen aber die Internet-Giganten mit ihren Servern allesamt in den USA. Microsoft etwa soll intensiv mit den Geheimdiensten zusammen arbeiten. Kann man sich da überhaupt vor Datenklau schützen?

Grün: Ja. Man kann auf einen deutschen Anbieter wechseln. Zum Beispiel web.de. Auf jeden Fall sollte der Server des Anbieters, über die man seine E-Mails versendet und empfängt, in Deutschland stehen. Der unterliegt den deutschen Datenschutzgesetzen, was die Sache schon mal sicherer macht. Zum anderen sollte man seine E-Mails oder Datenspeicherungen verschlüsseln. Ohne den Entschlüsslungscode kann auch die NSA nicht so leicht etwas damit anfangen.

Was muss sich politisch im Interesse der Datensicherheit ändern?

Grün: Gegenwärtig wird eine neue EU-Datenschutzverordnung verhandelt. Dort stand ursprünglich drin, dass Daten nicht an Länder außerhalb der EU weiter gegeben werden dürfen. Das ist auf Druck der US-Lobby gestrichen worden. Diese Klausel muss unbedingt wieder rein.

Können Sie dem Schnüffel-Skandal auch etwas Positives abringen?

Grün: Ja, der Skandal bietet die Chance, dass deutsche IT-Sicherheits-Technologie zum Exportschlager werden kann. Deutschland steht weltweit im Ruf, mit seinen peniblen Sicherheitsvorschriften auch die Software dafür zu haben. Sicherheits-Software Made in Germany - diese Chance müssen wir nutzen.

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