Die neue Rocker-Generation

Berlin · Schüsse, Schlägereien und Revierkämpfe: Rivalisierende Rockerbanden gibt es seit Ewigkeiten. Doch nun formieren sich Gruppen, die sich durch noch höhere Gewaltbereitschaft von den alten unterscheiden.

Schüsse in Frankfurt, Heidenheim und Leipzig: Revierkämpfe in der Rockerszene eskalieren immer häufiger. "Wir erleben eine Renaissance der Rockergruppen", warnt Ulf Küch, Leiter der Kripo Braunschweig und stellvertretender Chef des Bunds Deutscher Kriminalbeamter (BDK).

In den vergangenen Jahren seien einige Bundesländer hart gegen Rocker vorgegangen, nun lasse der Druck nach. Die Polizei verfüge nicht über die nötigen Kapazitäten, und die Behörden hätten viele andere Baustellen im Blick, etwa den islamistischen Terror. Das Bundeskriminalamt (BKA) zählte zuletzt bundesweit rund 9300 Rocker in mehr als 600 lokalen Ablegern. Es gebe aber mehr und mehr Nachahmer-Gruppen. Neben den alten Motorradclubs wie den Hells Angels oder den Bandidos expandieren jüngere Gruppen - weniger Motorradromantik, weniger Ideologie, aber umso mehr Gewalt. "Die alten Gruppen verlieren an Macht, weil die neuen erheblich gewalttätiger sind", sagt Küch. Die Mitglieder sind laut BKA häufig junge Migranten, die dort "ein Zusammengehörigkeitsgefühl finden, das ihnen andernorts versagt wird". In den neuen Gangs wechseln Namen und Loyalitäten häufiger, der Ehrenkodex zählt nicht so viel. "Große Vereine haben sehr strenge Aufnahmeregeln und langjährige Aufnahmeprozesse", sagt der Passauer Anwalt und Rocker-Experte Florian Albrecht. "Da scheinen sie sich von Streetgangs zu unterscheiden."

Gruppen wie die in Villingen-Schwenningen gegründeten United Tribuns sprießen aus dem Boden und geraten dadurch in Konflikt mit den etablierten Rockern.

Die Straßengangs bestehen aus Bodybuildern, Kampfsportlern, Türstehern. Auch ethnische Konfliktlinien werden ausgefochten, etwa zwischen den türkisch-nationalistischen Osmanen und den kurdischen Bahoz.

Meist geht es aber ums Geschäft und um Geltung. Die Gangs verdienen ihr Geld mit Drogen, Prostitution und Schutzgelderpressung. "Da hilft ihr martialisches Auftreten, weil sie allein durch ihr Auftreten Angst und Schrecken verbreiten - das ist Teil der Geschäftsidee", sagt Küch.

Es gebe keine klaren Fronten mehr, warnt "Spiegel Online"-Chefreporter Jörg Diehl. Früher hätten Alphatiere Ansagen gemacht. Das sei heute anders. Der BDK fordert ein Verbot krimineller Rockergruppen. Die Polizei müsse sich besser vernetzen, sagt Küch. Doch die Ermittler tun sich schwer in der Szene. Es gilt die Omertà, das Gesetz des Schweigens, wie in der Mafia . "Wer redet, setzt sich höchster Gefahr aus."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort