Reiche, heile Ärztewelt

München · Die „Schwarzwaldklinik“ war die deutsche Antwort auf US-Serien wie „Dallas“ und „Denver-Clan“. Sie zog in den 1980er Jahren Millionen in ihren Bann. 30 Jahre später ist der große Hype längst Geschichte.

 Sascha Hehn, Gaby Dohm und Klausjürgen Wussow im Juli 1986 bei Dreharbeiten zur „Schwarzwaldklinik“. Fotos: dpa

Sascha Hehn, Gaby Dohm und Klausjürgen Wussow im Juli 1986 bei Dreharbeiten zur „Schwarzwaldklinik“. Fotos: dpa

 Das Gebäude im Glottertal ist heute immer noch Touristenmagnet.

Das Gebäude im Glottertal ist heute immer noch Touristenmagnet.

In den 1980er Jahren gab es in Deutschland Menschen, die glaubten, Professor Brinkmann sei gar kein Arzt, sondern der Schauspieler Klausjürgen Wussow . Das waren aber nicht viele, wie manche im Schwarzwald noch heute zu erzählen wissen. Selten nämlich haben bei einer Fernsehserie in Deutschland die Zuschauer so sehr Fiktion und Realität vermischt wie im Fall der vor 30 Jahren gestarteten "Schwarzwaldklinik".

Wer in Deutschland über 40 Jahre alt ist und nicht mehr weiß, was er am Abend des 22. Oktober 1985 gemacht hat, kann sich leicht auf die Sprünge helfen lassen. Mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit saß er oder sie an jenem Tag vor dem Fernseher und hörte zum ersten Mal die pompöse Erkennungsmelodie der neuen Fernsehserie aus den Händen von Produzent Wolfgang Rademann . Über 24 Millionen Menschen sahen den ersten Teil der "Schwarzwaldklinik", bald guckten 28 Millionen Menschen der nicht mal 60 Millionen Einwohner der alten Bundesrepublik zu. Damit hält die Serie bis heute die Einschaltquotenrekorde jenseits von Fußballübertragungen.

Dabei wirkte die erste große deutsche Arztserie für die Fernsehkritiker wie eine Zumutung, "Operation Kitsch" ätzte etwa der "Spiegel". Tatsächlich bedienten die "Schwarzwaldklinik"-Macher hemmungslos die von ihnen erkannte Sehnsucht nach einer heilen, reichen Ärztewelt. Schon im Vorspann setzten sie die Köpfe der drei Hauptfiguren - Professor Klaus Brinkmann alias Klausjürgen Wussow , dessen Filmsohn Udo Brinkmann alias Sascha Hehn und die spätere Chefarzt-Gattin Christa Mehnert alias Gaby Dohm - in goldene Bilderrahmen. Im Film fuhr der Junior-Arzt ein Porsche-Cabriolet, während der Professor den damals hippen Audi 200 lenkte - auch beim Product Placement setzte die Serie Maßstäbe. Die Vorlage für die "Schwarzwaldklinik" lieferte die tschechoslowakische Serie "Das Krankenhaus am Rande der Stadt".

Der Vorwurf, dass er angeblich 50er-Jahre-Kitsch produzierte, ärgert den auch mit dem "Traumschiff" erfolgreichen Rademann bis heute. "Es war die heile Welt, die die Leute so in ihren Bann zog. Und die hat immer Konjunktur." Doch es war außer der heilen Welt wohl auch die spezielle Darstellung des Arztes. Ärzte berichteten später von Patienten, die während der Visite beim Kaffee ein vertrauliches Gespräch führen wollten, wie es bei Brinkmann üblich war. Der Professor schaffte es sogar neben Ronald Reagan , Boris Becker und Michail Gorbatschow auf die Kandidatenliste einer Zeitschrift für den Mann des Jahres 1985 - wohlgemerkt der fiktive Mediziner Brinkmann, nicht der Schauspieler Wussow. Und als in Folge sechs eine Wunderquelle erwähnt wurde, riefen im Schwarzwald Menschen an und wollten Wasser aus dieser Quelle für ihre sterbenskranken Angehörigen - der tragische Höhepunkt der "Schwarzwaldklinik"-Hysterie.

Das einzige Wunder, das der Serie tatsächlich gelang, war die Wiederbelebung des Schwarzwaldes als Touristenattraktion. Die durch Sorge um das Waldsterben in Verruf geratene Region konnte plötzlich einen sprunghaften Anstieg der Übernachtungszahlen melden. Busweise kamen Menschen ins Glottertal, wo das Gebäude der Klinik steht, das nach einem jahrelangen Leerstand wieder eine psychiatrische Fachklinik beherbergt.

Der große Hype um die "Schwarzwaldklinik" ist allerdings längst Geschichte. Zum 20-Jährigen liefen 2005 noch einmal in einer Neuauflage zwei Folgen. Der 2007 gestorbene Wussow zeigte bei den Dreharbeiten aber schon erkennbare Anzeichen seiner beginnenden Demenz. Auch weil viele weitere Darsteller inzwischen tot sind, will Rademann keine neuen Folgen mehr drehen. Inzwischen haben selbst die treusten Fans weggezappt. Zum ersten Mal seit Jahren musste 2015 ein Fantreffen abgesagt werden - mangels Interesse.

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