Expertenanhörung im Bundestag Deutschland und seine (Problem-)Wölfe

Berlin/Saarbrücken · Die Population steigt, die Schäfer klagen. Und die Politik ringt um Lösungen.

 Vor 18 Jahren kamen die ersten Wölfe zurück nach Deutschland. Ihre Population wächst – was Naturschützer freut und Schäfer besorgt.

Vor 18 Jahren kamen die ersten Wölfe zurück nach Deutschland. Ihre Population wächst – was Naturschützer freut und Schäfer besorgt.

Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Der Wolf ist zurück in Deutschland und vermehrt sich. Das bringt Probleme, mit denen sich die Politik aktuell befassen will. Aber was tun? Oft bringen Expertenanhörungen die Bundestagsabgeordneten in strittigen Fragen weiter. Beim Thema Wolf jedoch eher nicht, wie sich gestern in einer Anhörung zeigte. Nach wie vor sind die Parteien uneins. Die AfD warnt vor einem „dogmatischen“ Schutz der Raubtiere und fordert Obergrenzen. Wenn es zu viele Wölfe werden, soll die Population durch Bejagung reguliert werden. Die FDP ist auch für Bejagen. In der europäischen Naturschutzrichtlinie sollen Wölfe dazu herabgestuft werden. Keine Jagd, verlangen die Grünen, und mehr verbundene Biotope, um eine stabile Population zu erreichen. Die Linken fordern stärkere Hilfen für Weidetierhalter.

Die Bundesregierung hat sich bisher nicht geäußert, will einen Gesetzentwurf bis Anfang Juni vorlegen. Im Koalitionsvertrag steht, dass bei der EU eine Überprüfung des strengen Schutzstatus eingeleitet werden soll. Zudem sollen Wölfe, die Schafe oder Menschen gefährden, leichter abgeschossen werden können. Um folgende Punkte ging es gestern:

Die Population: Derzeit gibt es in Deutschland zwischen 800 und 1100 Wölfe, die sich auf 60 Rudel sowie Einzeltiere verteilen. Vor allem leben sie in Nord- und Ostdeutschland. Im Saarland wurden noch keine gesichtet, wohl aber im grenznahem Rheinland-Pfalz und in Luxemburg. Der Jagdverband warnte gestern, die Zahl der Tiere in Deutschland verdoppele sich alle drei Jahre. Weil Wölfe Reviertiere sind, bedeute das, dass immer neue Reviere erschlossen werden. Vermischungen von „canis lupus lupus“, so der lateinische Name des europäischen Grauwolfs, mit südeuropäischen Rassen oder wilden Hunden werden dann häufiger vorkommen, erläuterten Genetiker. Mischlinge dürfen schon jetzt abgeschossen werden.

Die Gefahren für den Menschen: Der Jagdverband glaubt nicht, dass der Wolf von Natur aus menschenscheu ist oder Nutztiere meidet. Dazu müsse er regelmäßig bejagt werden. Er fordert daher die Aufnahme in das Jagdgesetz. Zwischenfälle mit Menschen hat es in Deutschland noch nicht gegeben, wohl aber Tiere, die sich in Siedlungen wagen. Eine Wolfsforscherin erklärte hingegen, dass unscheues Verhalten meist darauf zurückgehe, dass Menschen die Tiere zuvor angefüttert hätten. Zwischenfälle mit Menschen habe es zudem auch in Ländern gegeben, wo der Wolf auch bejagt werden dürfe. Das helfe also nicht.

 19SZ-Wölfe

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Foto: SZ/Steffen, Michael

Die Sorgen der Schäfer: Sie sind am meisten betroffen, aber auch andere Weidetierhalter. Der Bauernverband ist deshalb ebenfalls für die Bejagung. Das Naturschutzkriterium eines „günstigen Erhaltungszustandes“ der Population sei mit 1000 Tieren erreicht. Ein Jurist hielt entgegen, dass es dazu 1000 erwachsene Tiere sein müssten, davon gebe es aber nur 150. Die Naturschützer unter den Experten erklärten dagegen, der einzige wirksame Schutz von Herden liege in Elektrozäunen ab 1,20 Metern Höhe und Schutzhunden. In Spanien, Polen oder Italien hätten die Bauern auch mit dem Wolf zu leben gelernt. Der Dachverband der Berufsschäfer räumte ein, dass die wirtschaftlichen Probleme der Schäferei in Deutschland nicht mit dem Auftauchen des Wolfes begonnen hätten. „Wir sind schon lange dabei unterzugehen“, erklärte ein Vertreter und forderte eine Weidetierprämie. Die Mehrkosten für Zäune, Hunde und Personal könnten die Schäfer keinesfalls tragen.

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