Zahl der Kassen wird dramatisch sinken

Herr Ahrens, bis zur Jahresmitte haben die Krankenkassen ein Minus von fast einer Milliarde Euro erzielt. Gehen die Bürger wieder öfter zum Arzt oder wirtschaften die Kassen schlechter? Ahrens: Das ist bei den Kassen sehr unterschiedlich. Einige haben ein Defizit gemacht, andere wie die AOK haben ein leichtes Plus. Die Bürger sind deshalb nicht kränker geworden

Herr Ahrens, bis zur Jahresmitte haben die Krankenkassen ein Minus von fast einer Milliarde Euro erzielt. Gehen die Bürger wieder öfter zum Arzt oder wirtschaften die Kassen schlechter?

Ahrens: Das ist bei den Kassen sehr unterschiedlich. Einige haben ein Defizit gemacht, andere wie die AOK haben ein leichtes Plus. Die Bürger sind deshalb nicht kränker geworden. In erster Linie haben wir es mit einem deutlichen Kostenanstieg bei den Arzneimitteln zu tun. Erfahrungsgemäß steigen aber die Kasseneinnahmen im zweiten Halbjahr, so dass wir insgesamt mit einer ausgeglichen Bilanz rechnen können.

Den jüngsten Honorarabschluss für die niedergelassenen Ärzte hat praktisch die Politik diktiert. Ist die Selbstverwaltung von Medizinern und Kassen am Ende?

Ahrens: Die Entscheidung wurde ja von der Selbstverwaltung getroffen. Allerdings gegen den Willen der Krankenkassen. Hier hat die Politik zweifellos hinein regiert. Und das sollte sie künftig unterlassen.

Aber mit dem geplanten Gesundheitsfonds nimmt die Politik den Kassen auch die Festsetzung des Beitrags aus der Hand. Besorgt Sie das?

Ahrens: Das ist ein Schritt in die falsche Richtung. Denn er bedeutet mehr Staat im Gesundheitswesen. Wir hätten uns gewünscht, dass die guten Seiten der Reform, nämlich Wettbewerbselemente wie zum Beispiel die Wahltarife, stärker zum Tragen kommen. Wenn die Politik künftig den Kassenbeitrag festlegt, dann übernimmt sie auch die Verantwortung für die Kostenentwicklung. Das betrifft die Honorarabschlüsse, aber auch die Ausgaben für den Krankenhausbereich. Daran muss sich die Politik von den Bürgern messen lassen.

Wie hoch wird der Einheitsbeitrag ab Januar sein?

Ahrens: Der Honorarabschluss für die Ärzte belastet die Kassen mit mindestens 2,5 Milliarden Euro zusätzlich. Für den Krankenhausbereich kommen etwa 4,5 Milliarden Euro oben drauf. Rechnet man noch die Ausgabensteigerungen für Arzneimittel hinzu, dann ist ein Einheitsbeitrag von bis zu 15,8 Prozent erforderlich, um sämtliche Kosten abzudecken.

Müssen sich die Versicherten rasch auf Zusatzbeiträge einstellen, weil Kassen mit den Zuteilungen aus dem Fonds nicht auskommen?

Ahrens: Beim Start des Fonds am 1. Januar sehe ich diese Gefahr noch nicht. Aber danach dürften solche Zusatzbeiträge bei einzelnen Kassen unvermeidbar sein. Im Solidarsystem der AOK können sich die 15 Ortskrankenkassen untereinander aushelfen. Deshalb werden wir auch nicht die erste Kassenart sein, die zur Erhebung von Zusatzbeiträgen gezwungen ist.

Mit dem Fonds bietet sich auch die Möglichkeit, dass Kassen ihren Mitgliedern Geld zurückgeben können. Wie realistisch ist dieses Szenario?

Ahrens: Das ist kaum realistisch. Kassen, die dazu in der Lage sind, werden ihre Mitglieder eher mit Leistungsverbesserungen an sich binden, als mit kleinen Prämien, die einen vergleichsweise hohen Verwaltungsaufwand erfordern. Der Versicherte dürfte es auch mehr schätzen, wenn ihm seine Kasse etwas bietet, was andere Kassen nicht bieten.

Heute gibt es noch gut 200 Krankenkassen. Erwarten Sie hier Veränderungen?

Ahrens: Mittelfristig wird der Fonds zu einer dramatischen Reduzierung der Kassenzahl führen. Viele kleine Kassen werden gezwungen sein, sich zu größeren Einheiten zusammenzuschließen, um im Wettbewerb um mehr Qualität zu bestehen.

Hintergrund

Die Wirtschaft hat die Bundesregierung aufgefordert, den Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung für 2009 "so niedrig wie möglich, auf jeden Fall aber auf unter 15 Prozent" festzulegen. "Der Beitragssatz darf nicht über das heutige Rekordniveau von 14,9 Prozent hinaus steigen", sagte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Zur Begründung wies Hundt darauf hin, dass den Kassen 2009 auch bei unverändertem Beitragssatz rund 2,2 Milliarden Euro zusätzlich hätten, weil mit der Lohn- und Gehaltsentwicklung die Beitragseinnahmen steigen. dpa

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