Wer wird Blatters Nachfolger auf dem Fußball-Thron?

Zürich · Eine Fifa ohne Sepp Blatter war lange Zeit nicht vorstellbar. Eine gefühlte Ewigkeit regierte der Schweizer schon sein Fußball-Reich. Mit der Präsidentschaftswahl wird der Wechsel an der Fifa-Spitze heute vollzogen. Blatters letzter Wille bleibt unerfüllt.

Die Fifa hat in ihrem brandneuen Fußball-Museum das Kapitel Blatter schon beendet. Über dem Konterfei des Dauer-Präsidenten strahlt ein Leuchter wie die Sonne in einem barocken Gemälde. Die Zahlen darunter lassen keinen Zweifel: 1998-2016. Rechts daneben ist die noch leere Tafel für den nächsten Weltverbandschef schon installiert. Die Ära Blatter ist von heute an offiziell vorbei.

Als die Fifa im Januar in Zürich den Fußballer des Jahres kürte, lud ihn seine Tochter Corinne nach Bern zum Abendessen ein. Ihr Vater sollte im Familienkreis abgelenkt werden. Welches Programm der Blatter-Clan heute für das gekränkte Oberhaupt geplant hat, ist noch nicht bekannt. Sein großer Wunsch, bei dem außerordentlichen Fifa-Kongress umjubelt abzutreten, wird jedenfalls nicht in Erfüllung gehen. "Ich habe davon geträumt, dass man mir auf einem Kongress ,Auf Wiedersehen' sagt", erzählte Blatter dieser Tage in einem Interview. Die Hoffnung auf einen Titel als Ehrenpräsident oder gar den Friedensnobelpreis ist auch perdu.

Wenn heute sein Nachfolger gewählt wird, hat Blatter Hausverbot. Es wäre alles anders gekommen, wenn im Dezember 2010 nicht Katar, sondern die USA zum WM-Gastgeber 2022 gekürt worden wäre, meint er. Die Ermittlungen der US-Justiz nimmt er weiter persönlich. "Die Amerikaner hätten keinen Grund gehabt, die Fifa zu attackieren, weil sie ihre WM gehabt hätten. Und ich hätte die letzten vier Jahre meiner Amtszeit in Ruhe zu Ende gebracht."

Ruhe herrscht auf dem Zürichberg im Fifa-Hauptquartier schon lange nicht mehr. Seit der Verbannung des Chefs hat sich aber eine gewisse Form der Erleichterung breitgemacht, als hätte sich der Muff des alten Regimes mit dem teils geduldeten, teils kultivierten Prinzip der Kumpanei und Vorteilsnahme verflüchtigt. Pragmatiker wie der deutsche Finanzchef Markus Kattner oder Rechtsexperte Marco Villiger haben das Interimskommando übernommen.

Doch wie geht es langfristig weiter? Die skandalgeplagte Fifa muss heute auf Gedeih und Verderb die Weichen Richtung Zukunft stellen, es geht praktisch um alles oder nicht. Sollte das groß angekündigte Reformpaket scheitern und die Wahl des neuen Präsidenten zu einem unwürdigen Schauspiel verkommen, dürfte der Anfang vom Ende des taumelnden Weltverbandes gekommen sein.

Nicht zuletzt deshalb wird bis zur letzten Sekunde um jede Stimme gefeilscht, in geheimen Gesprächen hinter verschlossenen Türen der vielleicht entscheidende Deal eingefädelt. Vor dem Kongress haben Rechenspielchen und Absprachen Hochkonjunktur - die Präsidentenwahl wird zum Krimi mit ungewissem Ausgang.

Die beiden Schwergewichte Gianni Infantino (45) und Scheich Salman bin Ibrahim Al Khalifa (50), die das Kopf-an-Kopf-Rennen im Zürcher Hallenstadion unter sich ausmachen werden, erklärten sich gestern jeweils quasi selbst schon zum Blatter-Nachfolger. "Ich habe meine Gründe, um sogar noch selbstbewusster zu sein", sagte Infantino. Ähnlich siegessicher äußerte sich der Scheich.

Doch schon in den Stunden vor der Wahl entscheiden die 207 Fifa-Mitglieder über das Wohl und Wehe des Verbands. Gewaltenteilung, Transparenz, Integrität - und mehr Einfluss für Frauen. Mit diesen Reformen will sich die Fifa neu erfinden, einen Langzeitherrscher wie Blatter soll es in Zukunft auch nicht mehr geben. Das FBI und die Sponsoren werden sehr genau hinschauen. Scheitert das Paket an der nötigen Dreiviertel-Mehrheit, kann die Fifa den Laden auch gleich zusperren. "Ein Scheitern wäre ein Albtraum und würde beim Kongress die anschließend angesetzte Präsidentschaftswahl überschatten", sagt Ex-DFB-Präsident Wolfgang Niersbach , der weiter im Fifa-Exekutivkomitee sitzt: "Der Aufbruch zu neuen Ufern muss nun definitiv gelingen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort