Von Mehrheiten, Koalitionen und Duldungen

In Großbritannien liefern sich Labour und Konservative ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Was passiert, wenn keiner die Mehrheit erringt? SZ-Korrespondentin Katrin Pribyl beantwortet wichtige Fragen.

Wie kommen Abgeordnete an ihre Parlamentssitze?

Auf der Insel gilt das Mehrheitswahlrecht, nach dem Motto: "The winner takes it all." Jeder Wähler in England, Schottland, Wales und Nordirland stimmt in seinem Wahlkreis für einen Kandidaten. Der Politiker, der die meisten Kreuzchen bekommt, zieht ins Parlament in London ein. Die Stimmen für die unterlegenen Kandidaten gehen verloren. Insgesamt gibt es 650 Wahlbezirke.

Wer profitiert vom Wahlsystem?

Das starre Mehrheitswahlrecht begünstigt bis heute die großen Parteien, also die konservativen Tories und die sozialdemokratische Labour-Partei. Obwohl bei der vergangenen Unterhauswahl nicht einmal zwei Drittel der Bevölkerung für Labour oder Tories stimmten, gehörten fast 90 Prozent aller Abgeordneten einer der beiden Parteien an. Für eine parlamentarische Mehrheit muss eine Partei 326 Sitze gewinnen. Weil ein zweiter Platz wertlos ist, konzentrieren sich kleine Parteien meist auf wenige Wahlbezirke. Regionale Parteien haben in wenigen Hochburgen traditionell gute Chancen zu gewinnen.

Was passiert, wenn weder die Konservativen noch Labour eine absolute Mehrheit erreichen?

Da Umfragen zufolge wohl keiner die absolute Mehrheit erreichen wird, bleibt nur die Möglichkeit einer formalen Koalition oder aber eines Duldungsbündnisses. Obwohl Minderheitsregierungen in Großbritannien möglich sind, befürchten Beobachter in diesem Fall eine unruhige politische Zukunft. Die Labour-Partei könnte sich von der ebenfalls sozialdemokratisch ausgerichteten Schottischen Nationalpartei (SNP) dulden lassen oder mit den derzeit mit den Konservativen regierenden Liberaldemokraten eine Koalition bilden. Auch die walisische Partei Plaid Cymru und die nordirischen Sozialdemokraten sind für ein paar Sitze gut und stünden notfalls bereit. Die Konservativen könnten abermals mit den Liberaldemokraten koalieren, gegebenenfalls mit Unterstützung der nordirischen Unionisten-Partei DUP. Umfragen zufolge würde jedoch selbst diese Dreier-Konstellation derzeit nicht ausreichen.

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