Schwarz-rote Keilerei um BND-Affäre

Berlin · Die Union will sich in der BND-Spionageaffäre von der SPD nicht an den Pranger stellen lassen. Sie schlägt zurück und wirft dem Koalitionspartner Hysterie und wahlkampftaktische Spielchen vor. Unterdessen hat Österreich Anzeige wegen der Spitzelaffäre erstattet.

Angela Merkel gab sich gestern vor der Unionsfraktion ganz entspannt. Das "G-Wort", so wurde gespottet, also den Namen Gabriel, nahm sie nicht in den Mund. Stattdessen verteidigte sie hinter verschlossenen Türen noch einmal die Kooperation des BND mit dem US-Dienst NSA. Die deutschen Behörden allein könnten die Sicherheit der Bürger nicht gewährleisten, meinte Merkel dem Vernehmen nach vor den Abgeordneten. Damit wolle sie aber keine Regelverstöße rechtfertigen.

Beim Unionspersonal wirkte hingegen die Art, wie SPD-Chef Sigmar Gabriel die Kanzlerin am Montag in den Fokus der BND-Affäre gerückt hatte, noch hörbar nach. Gabriel hatte öffentlich verraten, er habe Merkel zweimal nach Hinweisen auf Wirtschaftsspionage gegen deutsche Unternehmen gefragt. Zweimal habe sie verneint. Sollte sich in den nächsten Tagen das Gegenteil herausstellen, hätte Merkel ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die Zündschnur ist gelegt, dank Gabriel. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter griff den Steilpass gestern schon genüsslich auf: "Die BND-Affäre ist längst eine Affäre Merkel", meinte er.

Gabriel beharrt auf Merkels Verantwortung in der Affäre: Es sei seine Aufgabe, bei denen nachzufragen, die es wissen müssen, betonte er gestern. Die seien "seit zehn Jahren verantwortlich", sagte er nach Teilnehmerangaben in der Fraktionssitzung mit Blick auf die Union und Merkels Kanzlerschaft. Er wolle verhindern, "dass die SPD in diesen Sumpf hineingezogen wird", sagte Gabriel.

Waren Gabriels Einlassungen ein Vertrauensbruch? Soweit wollten sich führende Unionspolitiker gestern nicht aus dem Fenster lehnen. "Das ist eine Angelegenheit, die die beiden unter sich klären müssen", wiegelte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeld ab. Allerdings ist in Berlin noch gut in Erinnerung, dass Gabriel schon einmal bei Merkel in Ungnade gefallen ist. 2010 hatte er ihr per SMS Joachim Gauck als überparteilichen Kandidaten für das Bundespräsidentenamt vorgeschlagen, Merkel hatte geantwortet: "Danke für die info und herzliche grüße am". Das machte Gabriel öffentlich. Die Kanzlerin war damals so sauer, dass sie den Kontakt für längere Zeit einstellte. Seinerzeit befanden die Genossen sich aber in der Opposition, jetzt sitzen sie mit am Kabinettstisch. Merkel wird sich etwas anderes einfallen lassen müssen, um Gabriel abzustrafen. Dass die Retourkutsche kommen wird, dessen ist man sich in Berlin sicher. Aus der Union wurde zudem mehrfach darauf verwiesen, dass es doch Frank-Walter Steinmeier (SPD ) gewesen sei, der in seiner Zeit als Kanzleramtschef das mit den USA abgeschlossene Abkommen zur Kooperation der Dienste unterschrieben habe. Steinmeier gerät nun durch Gabriels Einlassungen ebenfalls in die Bredouille - ob das so gewollt war? Unions-Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU ) ätzte bereits, die BND-Affäre sei nicht geeignet für "wahltaktische Spielchen", auch nicht dafür, "die Umfragewerte zu verbessern". Ein Seitenhieb auf die schlechten Zahlen der SPD . SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann mühte sich derweil, die Gemüter zu beruhigen: Er sehe "positive Zeichen" aller Beteiligten bei der Aufklärung.

Die Spähaffäre zieht unterdessen weiter Kreise: Wie gestern Abend bekannt wurde, hat Österreich wegen der Bespitzelung Anzeige "gegen Unbekannt" erstattet. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) forderte "volle Aufklärung".

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HintergrundÜber die Arbeit der deutschen Nachrichtendienste wachen verschiedene Kontrollorgane.Regierung: Das Kanzleramt koordiniert die Arbeit der Nachrichtendienste des Bundes. Der Verfassungsschutz an sich ist dem Innenministerium untergeordnet, der Bundeswehr-Geheimdienst MAD dem Verteidigungsressort. Für die Kontrolle des BND ist die Regierungszentrale selbst verantwortlich. Jede Woche setzen sich deren Koordinatoren mit den Geheimdienstchefs zur nachrichtendienstlichen Lage ("ND-Lage") zusammen. Parlament: Im Bundestag gibt es ein Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste. Die Regierung ist verpflichtet, diesem umfassend über die Tätigkeiten der Geheimdienste Auskunft zu geben. dpa

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