Und er hat doch die Absicht, eine Mauer zu bauen

Mexiko-Stadt · Der Mauerbau-Erlass von US-Präsident Donald Trump sorgt für Wut in Mexiko. Der Druck wuchs, dass Präsident Peña Nieto seine Reise zu Trump absagt – was der am Abend dann tatsächlich auch tat.

Es war ein denkbar schlechter Zeitpunkt, an dem Donald Trump das Dekret zum Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko unterzeichnete. Während er am Mittwochmittag vollmundig praktisch den Startschuss für den 3200 Kilometer langen Grenzwall gab, weilten Mexikos Minister für Äußeres und Wirtschaft, Luis Videgaray und Ildefonso Guajardo, gerade zu einem Treffen mit Trumps Beratern in Washington. Sie bereiteten den für Dienstag geplanten Besuch von Präsident Enrique Peña Nieto beim US-Staatschef vor.

Es war dieser Affront, der in Mexiko zu harschen Reaktionen bei Politikern aller Couleur, Intellektuellen und Aktivisten führte, die unisono verlangten, dass der Präsident seine Reise am 31. Januar nach Washington absagt. Mit dem Dekret zum Mauerbau habe Trump eine rote Linie überschritten, war der allgemeine Tenor.

"Eine würdevolle Haltung Mexikos kann eigentlich nur bedeuten, den Besuch abzusagen", sagte der einflussreiche Linkspolitiker Cuauhtémoc Cárdenas. Die Ehefrau des früheren Präsidenten Felipe Calderón und mögliche Präsidentschaftskandidatin für die Rechtspartei PAN, Margarita Zavala, schrieb bei Twitter : "Die Ankündigung der Mauer vor dem Besuch von Peña Nieto ist eine Beleidigung für Mexiko."

Erst später ging der Präsident dann selber in die Offensive und wandte sich in einer Fernsehansprache an seine Bevölkerung. Darin erwähnte er zunächst seinen geplanten Besuch bei Trump nicht, bedauerte aber die Entscheidung, die Grenzanlagen wirklich bauen zu wollen. "Mexiko glaubt nicht an Mauern", betonte Peña Nieto und ergänzte: "Ich habe bereits mehrfach gesagt, dass wir für keine Mauer aufkommen werden." Trump hatte zuvor betont, das Nachbarland werde für den Grenzwall bezahlen, auch wenn die USA das bis zu zwölf Milliarden Dollar teure Bauwerk zunächst aus der Staatskasse finanzieren müssten. Besonders verärgert war Peña Nieto darüber, dass die Ankündigung just in dem Moment kam, als seine beiden Minister in Washington waren. "Gerade als unser Land über neue Regeln bei den Themen Zusammenarbeit, Handel, Investitionen, Sicherheit und Migration in Nordamerika diskutiert", verkünde Trump den Mauerbau . "Als Präsident übernehme ich die Verantwortung und bin bereit, die Interessen Mexikos zu verteidigen."

Nach der empörten Reaktion aus Mexiko legte Trump Staatschef Enrique Peña Nieto die Absage seines Besuchs in Washington nahe. "Wenn Mexiko nicht bereit ist, für die dringend benötigte Mauer zu bezahlen, wäre es besser, das bevorstehende Treffen abzusagen", schrieb Trump gestern bei Twitter . Daraufhin sagte Peña Nieto den Besuch dann tatsächlich ab.

Mexiko kann den angekündigten Bau der Mauer jedenfalls nicht stoppen, wenn er auf Seiten der USA realisiert wird. Allerdings könnte die Regierung in Mexiko-Stadt als Strafmaßnahme die Kooperation mit Washington beim Thema Migration und Kampf gegen den Drogenhandel beenden. Bis heute versucht Mexiko beispielsweise auf Druck Washingtons, den Zustrom zentralamerikanischer Migranten Richtung USA schon in Mexiko zu stoppen. Künftig könnten die Mexikaner die Menschen aus Honduras, El Salvador und Guatemala einfach durchwinken. Zudem könnte Peña Nieto die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Rauschgiftlieferungen in den Norden aufkündigen.

Inzwischen mehren sich in Mexiko die Stimmen derer, die nicht um jeden Preis an der nordamerikanischen Freihandelszone Nafta festhalten wollen, die Mexiko, Kanada und die USA verbinden und die Trump unbedingt neu verhandeln will. Wirtschaftsminister Guajardo sagte, dass Mexiko nicht alle Zumutungen hinnehmen werde. "Es gibt klare rote Linien, die wir von Anfang an festlegen", so der Minister . "Wir werden nicht akzeptieren, dass wir am Ende mit weniger dastehen, als wir jetzt schon haben." Zumal in Mexiko Branchen wie vor allem die Landwirtschaft, aber auch der Textil-, Schuh- und Spielwarensektor unter dem Nafta-Übereinkommen massiv verloren haben. Vor allem aber Mexikos Manufaktursektor hat in den 23 Jahren der Existenz der Freihandelszone deutlich profitiert und liefert heute 80 Prozent seiner Waren in die USA. Die Grenze zwischen den USA und Mexiko überqueren täglich 300 000 Autos, 70 000 Lastwagen sowie Waren im Wert von rund einer Milliarde Dollar. Das alles steht durch Trumps Pläne auf dem Prüfstand.

Meinung:

Wer zieht wann die Notbremse?

Von SZ-Mitarbeiter Friedemann Diederichs

Es war eine hektische Woche voller Ankündigungen und Kontroversen, die schon jetzt mehr über den US-Präsidenten enthüllen, als ihm lieb sein kann. Die wichtigsten Lehren nach Donald Trumps erster Arbeitswoche zeichnen ein düsteres Bild und müssen Anlass zu Sorge sein: In der Welt des Donald Trump sind Fakten nicht mehr Fakten, sondern Teil einer "alternativen" Wahrheit in seiner Parallelwelt. Beispiel: die lächerliche Debatte um Zuschauerzahlen bei seinem Amtseid. Seine engsten Mitarbeiter scheinen gefangen im Konflikt, Trump zu schmeicheln oder ihre eigene Reputation zu retten. Wann werden die ersten ihre Loyalität hinterfragen und sich weigern, offenkundige Lügen zu verbreiten? Und Trump ist dabei, seine Partei extrem weit nach rechts zu rücken. Beispiel: Seine Angabe, inhumane Befragungsmethoden seien "wirksam". Wie lange werden die Republikaner das tolerieren? Wann ziehen sie im Kongress die Notbremse?

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