Wie Steinbach die FDP in Zugzwang bringt"Versöhnung ist gar nicht ihr Hauptinteresse"

Berlin. Über das Neujahrsgeschenk von Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach wird sich Guido Westerwelle nicht wirklich gefreut haben: Zwar bot Steinbach im Streit um ihren Sitz in der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" einen Verzicht an, doch ihre Bedingungen dafür sind für den Außenminister kaum erfüllbar

Berlin. Über das Neujahrsgeschenk von Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach wird sich Guido Westerwelle nicht wirklich gefreut haben: Zwar bot Steinbach im Streit um ihren Sitz in der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" einen Verzicht an, doch ihre Bedingungen dafür sind für den Außenminister kaum erfüllbar. Doch weil die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) mit ihrem Vorstoß immerhin Bewegung in den festgefahren Streit gebracht hat, gerät der FDP-Vorsitzende in Zugzwang - und das vor dem für die Liberalen so wichtigen Dreikönigstreffen in Stuttgart.

Steinbach bietet nun an, auf einen Sitz im Stiftungsrat zu verzichten. Doch im Gegenzug will sie den Einfluss ihres Verbandes ausweiten: Er soll mehr als die bisherigen drei Sitze im Rat bekommen - die Rede ist von insgesamt sechs. Bislang ist der BdV nur mit zwei Mitgliedern dabei, weil der für Steinbach reservierte Sitz leer blieb. Nach den Vorstellungen des BdV soll die Regierung außerdem ihr bisheriges Vetorecht bei der Besetzung des Stiftungsrates abgeben. Damit könnte der BdV theoretisch Steinbach zu einem späteren Zeitpunkt doch noch in das Gremium bugsieren.

Sehr weitgehend ist auch der BdV-Vorschlag, die Stiftung aus dem Dach des Deutschen Historischen Museums herauszulösen und als selbstständige Stiftung weiterzuführen. Damit solle die Einrichtung, die in Berlin eine Dauerausstellung zum Schicksal der Vertriebenen auf die Beine stellen soll, mehr Eigenständigkeit erlangen.

Insbesondere bei der CSU, die seit jeher an der Seite der Vertriebenen steht, wurde der neue BdV-Vorstoß mit Genugtuung aufgenommen. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt freute sich über die "ausgestreckte Hand der Vertriebenen" und verband dies mit der Aufforderung an Westerwelle, diese Hand auch zu ergreifen.

Auch Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) bekundete seine Sympathie: "Ich sehe jetzt zum ersten Mal die Möglichkeit, dass die Bundesregierung und der BdV am Ende zu einer gemeinsamen Position kommen können, wenn alle es wollen." Das war wohl auch eine Aufforderung an den liberalen Koalitionspartner. Doch die FDP machte gestern keinerlei Anstalten, sich dem Druck der Union zu beugen. Westerwelle sagte lediglich zu, den Forderungskatalog des Vertriebenen-Verbandes zu prüfen. Er ließ zudem Skepsis durchblicken. "Hier geht es darum, dass die Beziehungen zu unseren Nachbarländern nicht belastet werden, sondern sich vernünftig entwickeln können", sagte er. Mit der Ablehnung, die Steinbach in Polen erfährt, hat Westerwelle seit jeher sein Nein zu ihrer Mitgliedschaft im Stiftungsrat begründet. Bei den Liberalen wird auch darauf verwiesen, dass Steinbach eine "gewaltige Wunschliste" präsentiert habe, die so manchen Pferdefuß enthalte. So ist es für die FDP kaum vorstellbar, dass die Regierung jeden Einfluss auf die Besetzung des Stiftungsrates abgeben soll.

Jetzt spielen die Liberalen auf Zeit. Steinbachs Vorschlag werde die Koalition "in Ruhe" besprechen, kündigte FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger an. Selbst mancher in der Union rechnet wegen der Vorbehalte der FDP nicht damit, dass der BdV seine Vorschläge vollständig durchsetzen wird. Vertriebenen-Präsidentin Steinbach hat Bedingungen für ihren Verzicht auf den Stiftungssitz gestellt. Wie bewerten Sie das?

Gesine Schwan: Keine der Bedingungen, die Frau Steinbach stellt, ist unter dem Aspekt der deutsch-polnischen Versöhnung legitim. Die Errichtung der Stiftung und die Besetzung des Stiftungsrates sind ein lang ausgearbeiteter, politischer Kompromiss gewesen. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum der Bund der Vertriebenen einen noch größeren Einfluss erhalten soll. Ohnehin ist die Repräsentativität des Bundes für die Vertriebenen völlig im Unklaren.

Hatten Sie also auf einen Rückzug von Frau Steinbach gehofft?

Schwan: Polen und Deutsche haben nach dem polnischen Regierungswechsel ausgemacht, dass sie alle Personen aus den politisch wichtigen Positionen herausnehmen, die die andere Seite provozieren. Das haben die Polen sehr schnell getan. Auf deutscher Seite war auch der Kanzlerin klar, dass es nur eine Person gibt, die aus der vorderen Linie hätte zurücktreten müssen: Frau Steinbach. Es ist doch ganz offensichtlich, dass ihr Verhalten dem Sinn der Stiftung insgesamt schadet. Das ursprüngliche Versöhnungs-Ziel zwischen Deutschland und Polen ist auch gar nicht ihr Hauptinteresse.

Sondern?

Schwam: Sie will in Bezug auf den Opferstatus die Vertriebenen mit den Polen gleichstellen. Das ist nicht akzeptabel. Steinbachs Schachzug ist ein Zeichen dafür, dass sie die deutsch-polnischen Beziehungen nicht für wichtig hält.

Sie kennen wie kaum jemand sonst die Befindlichkeiten der Polen. Wie wird die polnische Seite das Angebot bewerten?

Schwan: Die Hauptakteure dort haben sich längst ein Bild vom Vorgehen der Vertriebenen-Präsidentin gemacht. Wenn sich die deutsche Seite nicht an die Abmachungen hält, dann wird ein erheblicher politischer Schaden entstehen.

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