Wie Jamaika das Lachen verging

Ach ja, Jamaika. Diese deutschlandweit einmalige Koalition aus CDU, FDP und Grünen trug schon den Keim des Scheiterns in sich, bevor sie überhaupt gebildet wurde. Es war ein Jahr vor der letzten Landtagswahl, als der damalige Ministerpräsident und CDU-Vorsitzende Peter Müller in kleiner Runde über die Saar-FDP herzog

Ach ja, Jamaika. Diese deutschlandweit einmalige Koalition aus CDU, FDP und Grünen trug schon den Keim des Scheiterns in sich, bevor sie überhaupt gebildet wurde. Es war ein Jahr vor der letzten Landtagswahl, als der damalige Ministerpräsident und CDU-Vorsitzende Peter Müller in kleiner Runde über die Saar-FDP herzog. "Unzuverlässig" seien diese Kameraden, "nicht ernst zu nehmen", "unsichere Kantonisten". Müller sollte Recht behalten.Dass der Regierungschef dann doch ein Bündnis mit den Liberalen einging und zudem auch noch die Grünen mit ins Boot holen musste, hing mit dem dramatischen Wahlergebnis (die CDU verlor 13 Prozentpunkte) zusammen - und mit dem indisponierten SPD-Chef Heiko Maas, der vom Liebesentzug der Grünen geschockt war, aber von einer großen Koalition nichts wissen wollte. Zähneknirschend akzeptierten die Christdemokraten das bunte Jamaika-Bündnis, sauer vor allem wegen der grünen Handschrift, die den Koalitionsvertrag prägte. Es war der Anfang einer unglückseligen Beziehung, die schwach begann und stark nachließ.

"Neue Wege für ein modernes Saarland" wollte die neue Regierung gehen, mit "stabiler, mutiger und verlässlicher Politik zum Wohle unseres Landes" beitragen. Was die bass erstaunten Bürger indes erlebten, war ein schrilles Konzert voller Disharmonien. Die Partner kamen mit sich selbst nicht klar: In der CDU rumorte es nach den Zugeständnissen an die Grünen; die Grünen wiederum mussten hohe Spenden des FDP-Politikers und Unternehmers Hartmut Ostermann einräumen; und die Liberalen überkleisterten mit kindlicher Freude an den neuen Ämtern ein grundsätzliches Problem: mangelnde Autorität an der Führungsspitze. Zudem galt der Fraktionsvorsitzende Horst Hinschberger, ein alter Karatekämpfer und politischer Seiteneinsteiger, als unkontrollierbarer "Kamikaze"-Typ - was sich schon bald bestätigen sollte: Im Juni 2010 zeigte Hinschberger zum Entsetzen der Freidemokraten seine eigenen Parteifreunde von der Stiftung "Villa Lessing" an, weil dort angeblich finanziell gemauschelt worden sei. Von diesem Schlag in die eigene Magengrube sollten sich die Liberalen nicht mehr erholen.

Doch schon vom Start weg war der Himmel über "Jamaika" verdüstert. Zur grünen Spendenpeinlichkeit kamen gleich zwei Untersuchungsausschüsse, mit denen die Opposition die "Jamaika-Korruption" (Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine) bloßstellen wollte: Der geheimniskrämerisch ausgehandelte "Gondwana"-Erlebnispark entpuppte sich als Millionengrab, die Einstellungen von Steuerverfahren der grauen FDP-Eminenz Ostermann als vortreffliches Futter für Verschwörungstheorien. Dann musste die Koalition, gegen den eigentlichen Willen von CDU und FDP, die grünen Forderungen nach Abschaffung der Studiengebühren und Einführung des Rauchverbots umsetzen. Am Schlimmsten aber sollten sich die Abstimmungsprozesse in der neuen Dreier-Koalition auswirken: "Bis an die Grenze des Erträglichen" (ein CDU-Teilnehmer) wurden die Probleme hin und her gewälzt und durchgekaut, wobei interessante Erkenntnisse deutlich wurden: Während die Grünen die Regierungsarbeit bierernst nahmen und keinen Spaß verstanden, ließen es die Liberalen eher leger angehen. Bei den Christdemokraten staute sich erster Groll an.

Dann platzte die nächste Bombe: Nach einem Jahr Jamaika kündigte Regierungschef Müller seinen Abgang an. Zuvor hatte schon das Thema "Vierter Pavillon" für Negativ-Schlagzeilen gesorgt, erst den Museumschef Ralph Melcher, dann dessen Aufseher, Kulturminister Karl Rauber, in die Bredouille gebracht. Die Opposition aus SPD und Linken brauchte die vielen Vorlagen nur noch ins Tor zu schießen. Jamaika fehle "jegliche moralische Legitimität", meinte SPD-Chef Heiko Maas.

Die Quittung ließ nicht lange auf sich warten: Die Koalition verlor dramatisch an Zustimmung, beim "Saarland-Trend" des SR im November 2010 lag die SPD erstmals seit Jahren wieder vor der CDU (34 zu 32 Prozent). Dreiviertel der befragten Saarländer äußerten sich unzufrieden mit der Arbeit von Jamaika. Über dem Bündnis machte sich eine bleierne Atmosphäre breit, die durch neue FDP-Querelen noch verstärkt wurde: Weil Hinschberger nach der Anzeige gegen die Parteifreunde (die staatsanwaltlichen Ermittlungen wurden eingestellt) nicht mehr haltbar war als Fraktionschef, zankten sich die Liberalen Ende des Jahres 2010 wochenlang um die Nachfolge. Christoph Hartmann war der Lage nicht gewachsen, er resignierte schließlich und gab auf Drängen Hinschbergers den Parteivorsitz ab. Neuer Chef wurde im Januar 2011 der erst 31-jährige Bundestagsabgeordnete Oliver Luksic.

Wer geglaubt hatte, danach trete Ruhe ein, der irrte. Die fortschreitende Zerrüttung der Koalition bekam Müllers Nachfolgerin, Annegret Kramp-Karrenbauer, zu spüren: Bei ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin am 10. August 2011 fiel sie erstmal durch: Mindestens zwei Abweichler hatten ihr im ersten Wahlgang gegen SPD-Chef Maas die Stimme verweigert. Beim zweiten Versuch schaffte sie es zwar knapp, doch das Klima des Misstrauens in der Koalition war jetzt zementiert.

Dann kam der schmutzige Endkampf bei der FDP, wiederum spielte Hinschberger eine Hauptrolle. Weil sich der blutjunge Fraktionsvorsitzende Christian Schmitt (30) von den Kollegen nicht respektiert fühlte, schmiss er im Dezember 2011 hin - und wechselte zur CDU-Fraktion. Dann ging es Schlag auf Schlag: Als Nachfolger Schmitts blieb nur noch Christoph Kühn übrig, da Karl-Josef Jochem Landtagsvizepräsident war und Christoph Hartmann unbedingt Wirtschaftsminister bleiben wollte. Hinzu kam eine Dienstwagen-Affäre (Kühn hatte trotz FDP-Dienstwagen vom Landtag eine Fahrtkostenpauschale erhalten, musste 10 000 Euro zurückzahlen), auch Kühn resignierte. Als sich die Liberalen wochenlang um den Fraktionsvorsitz stritten und deshalb auch - unter bitteren Vorwürfen - der FDP-Schatzmeister Rainer Keller zurücktrat, lief das Fass über. "So konnte es nicht weitergehen", sagte ein prominenter CDU-Mann zur SZ. "Wir mussten die Reißleine ziehen." "Jamaika fehlt

jedes Maß

an moralischer Legitimität."

SPD-Chef Heiko Maas

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