Wein auf die Wunden des Krieges

Moskau · Die Wirtschaft Georgiens lebt vom Wein. Nach dem russisch-georgischen Krieg stoppte Moskau rigoros den Kauf. Jetzt hat Russland das Embargo aufgehoben. Und die Georgier freuen sich über eine Entspannung.

Georgien ohne Wein ist wie der Nordpol ohne Schnee. Das kleine Land im Kaukasus kann ohne das Getränk nicht leben. Bereits am Flughafen überreicht der Beamte ein Fläschchen Wein, nachdem er den Pass gestempelt hat. Die georgische Wirtschaft lebt von den Trauben - und darf damit nun auch endlich wieder Geld in Russland verdienen. Fünf Jahre nach dem Fünf-Tage-Krieg mit Russland ist das ein großer Schritt.

Heute jährt sich der Angriff der Georgier auf Südossetien, den Russland mit ungleich aggressiveren Mitteln grausam zu ersticken wusste, zum fünften Mal. Im Bewusstsein der Georgier bleibt der Augustkrieg das "dramatischste Ereignis in der Geschichte des Landes", wie es in jüngsten Umfragen heißt. 850 Menschen wurden damals getötet, mehr als 3000 verletzt. Noch heute leben Dutzende Flüchtlinge in Übergangsheimen. Die kurze Auseinandersetzung hat zwischen Russland und Georgien tiefe Spuren gezogen - und findet im Wein nun eine erste Annäherung. Das russische Embargo ist aufgehoben. Die Wahrheit aber verdeckt auch der Wein nicht. "Dieser Krieg wird unser Verhältnis noch lange verderben", sagt Surab Abaschidse, Georgiens Sondergesandter für die Beziehungen zu Russland, der russischen Internetzeitung "gazeta.ru".

Bereits 2006 hatte der große russische Nachbar das 4,5-Millionen-Einwohner-Land am Schwarzen Meer mit einem Einfuhrstopp seiner Produkte belegt. Früchte, Wasser, Wein. "Schlechte Qualität", befand damals Gennadi Onischtschenko, der Amtsarzt Russlands. "Verseucht mit Pestiziden und Schwermetallen". Das war die vordergründige Erklärung, die die politischen Dimensionen des Boykotts nach hinten zu rücken versuchte. Doch die Auseinandersetzung um die abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien spitzten sich zu, am 8. August 2008 entlud sich der Konflikt zwischen den ungleichen Gegnern. 50 Millionen Weinflaschen hatte Georgien jährlich nach Russland exportiert. Dann aber stoppte praktisch über Nacht der Verkauf. Die Georgier blieben auf ihren Reben sitzen.

Seit dem Regierungswechsel in Georgien im vergangenen Jahr und dem WTO-Beitritt Russlands ist Entspannung angesagt. Sieben georgische Produzenten verkaufen mittlerweile ihre 104 Weinsorten in Russland. 30 000 Flaschen passierten bereits die Grenze. Mehr als 50 Betriebe warten noch auf ihre Zulassung. Bis zu zehn Millionen Flaschen georgischen Weins jährlich sollen wieder in Russlands Geschäfte kommen. Allerdings nur im Prämiumsegment. Eine Flasche der Kellerei Kindsmarauli oder Dugladse kostet damit umgerechnet fast zehn Euro.

Die Georgier freuen sich über die leichte Entspannung, sie brauchen Russland vor allem als wirtschaftlichen Partner. Doch auch unter dem neuen Ministerpräsidenten, dem Milliardär Bidsina Iwanischwili, ist die georgische Regierung nicht gewillt, auf Abchasien und Südossetien zu verzichten. "Wir müssen dafür sorgen, dass Georgien prosperiert, dann wenden sich auch Südosseten und Abchasier uns wieder zu", zeigte sich Iwanischwili im Oktober vergangenen Jahres im Gespräch mit unserer Zeitung überzeugt. Das Problem aber ist ein weit größeres. Denn Abchasien und Südossetien wollen unabhängig sein, auch wenn sie aus Russland gefüttert werden. Umgerechnet eine Milliarde Euro, so hat die russische Zeitschrift "Kommersant Wlast" ausgerechnet, hat die russische Regierung in den vergangenen fünf Jahren in die abtrünnigen Gebiete geschickt. Es dürfte noch viel Wein fließen.

Zu Sowjetzeiten galt Georgien als das Frankreich des Ostblocks. Das ist bis heute das Problem des Weinlandes geblieben. Im Westen sind die georgischen Spezialitäten kaum bekannt. Manche Produzenten müssen gar erst erklären, dass "Georgia" kein US-Bundesstaat ist, sondern ein eigenständiges, durchaus demokratisch regiertes Land zwischen Bergen und Meer. Der Weinanbau geht auf eine lange Tradition zurück. Manche Archäologen sprechen von 8000 Jahren. Dem assyrischen Reich zahlten die Bewohner dieses wunderschönen Fleckchens Erde ihren Tribut nicht in Gold, sondern in Wein. Von 4000 Rebsorten weltweit stammen mehr als 500 aus Georgien. Die klassische Art des georgischen Weins ist die Reifung in Kwewris, Tonkrügen, die in die Erde eingelassen werden und bis zu 4000 Liter Wein fassen können. Die Amphoren, noch heute haben manche Georgier einen oder zwei Kwewris im eigenen Garten, werden verschlossen und mit Ton und Holzasche abgedichtet. Eine ausgefeilte Methode.

Das russische Importverbot wirkte auch heilsam. Die georgische Weinwirtschaft musste sich in den vergangenen sieben Jahren bewegen und expandiert wieder - auch in den Westen. Doch nur ein Prozent aller georgischen Weinexporte geht nach Deutschland.

Zum Thema:

HintergrundIn der Nacht zum 8. August 2008 attackierte die georgische Armee Zchinwali, Hauptstadt der abtrünnigen georgischen Region Südossetien, mit Raketenwerfern und schwerer Artillerie. Seit Juli 2008 war es bereits zu Kampfhandlungen um Südossetien und Abchasien gekommen. Daraufhin entlud sich der Konflikt, es kam zu einem undurchsichtigen Kampf zwischen russischen, georgischen, südossetischen und abchasischen Einheiten. Am 12. August folgte der Waffenstillstand. Beigelegt ist der Konflikt aber nicht. International gehören Südossetien und Abchasien weiter zu Georgien.inh

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort